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Stimmgewalt. Herbert Fritschs „der die mann“.

© Festspiele/Thomas Aurin

Theatertreffen Berlin 2016: Ball der Debütanten

Mut und Risiko: So viel Neues wie beim Theatertreffen 2016 war noch nie. Ein Überblick.

Theatertreffen ist eigentlich immer. Intendanten und Dramaturgen reisen von Stadt zu Stadt, von Premiere zu Premiere, Talentscouts gleich beobachten sie die Szene: Wer holt einen Regisseur wie Simon Stone oder Ersan Mondtag an sein Haus, bevor es die Kollegen tun? Kaum anders arbeitet die unfasslich fleißige Theatertreffen-Jury der Kritiker. Sie ziehen durch die Lande, leben in vollen Zügen, bewerten und diskutieren unablässig, um eben einen Simon Stone und Ersan Mondtag mit ihren Inszenierungen nach Berlin einzuladen. Juroren sind auch Kuratoren: Sie suchen die Trends, das Neue, das Profilierende oder was man dafür hält. Und wie schnell ist das verbrannt!

Eine Aufführung fürs Theatertreffen muss nicht nur sehr gut sein, sie braucht das Besondere. Man muss es sehen, fühlen. Niemand weiß, was das genau ist, aber darüber wird seit 1964 herzlich gestritten. Eine Geschichte unvergesslicher Höhepunkte, von Wegmarken des Theaters, aber auch der Flops und Enttäuschungen, weil Berlin sehr hart sein kann für Bühnen aus kleineren Orten. Nicht jedes Stück lässt sich transportieren, das lehrt die bittere Erfahrung.

Kultur ist der stärkste Integrationsmotor!

537 Inszenierungen, von 217 Regisseuren und Regisseurinnen und von 72 Bühnen des deutschsprachigen Raums in mehr als einem halben Jahrhundert Berliner Theatertreffen – die Statistik ist schon deshalb bemerkenswert, weil sie die Breite der Theaterkultur zeigt. Zumal in diesem Jahr: Das Theatertreffen 2016 bestimmen die Debütanten. Von ihnen stammt über die Hälfte der eingeladenen Aufführungen. Viel Mut gehört dazu und hohes Risiko. Viel Glück!

Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura kommen aus Berlin, ihre politischen Theaterprojekte sind dem Publikum vertraut, doch die erste Einladung zum Theatertreffen haben die beiden Dokumentaristen für eine Arbeit aus Karlsruhe erhalten – auch ein Zeichen der Stärke der föderalen Kulturstruktur. Um die kleinen und mittleren Theater zu ermutigen, hat der Bund seinen mit einer Million Euro dotierten Theaterpreis ins Leben gerufen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters betrachtet die Kultur als „unseren stärksten Integrationsmotor, angesichts hunderttausender Menschen, die ihre Heimat in Kriegs- und Krisenregionen verlassen in der Hoffnung, im friedens- und wohlstandsverwöhnten Europa Zuflucht zu finden.“

Ähnlich versteht Karin Beier ihre Inszenierung „Schiff der Träume“ nach dem Film von Federico Fellini, die am Freitagabend das Theatertreffen im Haus der Berliner Festspiele eröffnet – als Bild einer Gesellschaft, die lernen muss zu teilen, sich zu öffnen. Und so politisch wie das Theatertreffen ist 2016 der Berliner Theaterpreis. Er geht an Shermin Langhoff und Jens Hillje, die Architekten des Maxim Gorki Theaters. Das mit Yael Ronens „The Situation“ in der Auswahl ist. Berlin will Weltstadt sein, also reden wir über die Probleme der Welt und die Menschen, die von überallher in die Stadt kommen.

Eine schöne Pointe im Jahr der Jungen und Neulinge liefert der 3sat-Innovationspreis. Er geht an Herbert Fritsch und seine umwerfende Hirnakrobaten-Show „der die mann“. Erstens hält der 65-Jährige wenig vom Mainstream der Moral, und zweitens ist es nie zu spät.

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