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Szene aus "Schiff der Träume"

© Matthias Horn

Theatertreffen Berlin: "Schiff der Träume" und "Effi Briest": Flucht in den Luxus

Seitensprünge: Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg zeigt „Schiff der Träume“ und eine „Effi Briest“ aus den 1970er Jahren.

Dieses Jahr ist das Hamburger Schauspielhaus mit gleich zwei Inszenierungen in Berlin vertreten, Ergebnis einer „recht beglückenden Spielzeit“, wie Karin Beier erfreut bemerkt. Zur Eröffnung wird ihr „Schiff der Träume“ gezeigt, eine Arbeit, die sich an Motiven von Fellinis legendärem Film aus dem Jahre 1983 orientiert, ein „europäisches Requiem“, wie Beier es untertitelt. Der erste Teil porträtiert ein kurioses Orchesterensemble, das als Trauergesellschaft zur Seebestattung seines Dirigenten und Komponisten ein letztes Requiem spielen will.

Stattdessen witzeln sich die Orchestermitglieder in Grund und Boden, werden Eitelkeiten gepflegt und Kuriositäten erzählt, kommen Aversionen und Begehrlichkeiten zutage, wird die Langeweile in bester Marthaler-Manier zelebriert. Mit von der illustren Schiffspartie sind Charly Hübner, Julia Wieninger, Michael Wittenborn und Lina Beckmann, das allein macht den Abend sehenswert.

Im zweiten Teil dann bricht die Gegenwart über diese dekadente Gesellschaft herein. Und zwar, wie bei Fellini, in Form von Schiffbrüchigen. „Ein Luxusliner trifft auf ein Flüchtlingsboot. Eine etwas überzüchtete, aber liebenswerte Gesellschaft trifft auf eine andere Realität“, so hatte Karin Beier vor der Premiere die Szenerie umrissen. Inzwischen, so die Regisseurin, hat „die Realität uns eingeholt und manchmal auch überholt“. Sie selbst hat im September vergangenen Jahres, wie zahlreiche andere Theater, Flüchtlinge beherbergt und für ihre Inszenierungsarbeit des Fellini-Stoffs eine „gewisse Form von Naivität“ verloren.

Die Flüchtlinge wollen Europa aus der Depression holen

Mit aller Vehemenz und großem Selbstbewusstsein stürmen also im zweiten Teil von „Schiff der Träume“ fünf Performer den von Johannes Schütz abstrakt angelegten Luxuskreuzer. Die Flüchtlings-Darsteller kommen vorwiegend aus dem deutsch-ivorischen Theaterkontext des Regieduos Gintersdorfer/Klaßen. Sie sind so gar keine Opfer.

Schnell übernehmen sie die Regie, wollen Europa helfen, den Kontinent aus der Depression holen, am besten gleich das ganze Theater kaufen. Mit der lautstarken und frechen Präsenz der afrikanischen Performer wagt sich die Regisseurin leider nur in die ungefähre Nähe der Schmerzgrenze, während die Orchestermitglieder mit fürchterlich korrekten Argumenten ihren Anspruch auf das Oberdeck verteidigen. Einzelne Szenen, etwa die um die gut gemeinten Sach- und Kleiderspenden, gestaltet Beier sehr prägnant, die Debatten, die geführt werden, sind jedoch nicht besonders scharf und die finale tänzerische Verbrüderung, die einem rhythmischen Exotismus anheimfällt, verliert sich in völligem Kitsch.

Fontane mit viel Witz, Ironie und unfassbarer Traurigkeit

Dennoch: Eine Einladung zum Theatertreffen war es der Jury wert. Genauso wie die kleine, feinsinnige „Effi Briest“ aus dem Malersaal. Die schräge Show, in der das Ensemble eine Livesendung von „Radio Briest“ mimt, hat der Regisseur und Marthaler-Schauspieler Clemens Sienknecht gemeinsam mit Barbara Bürk in einem verstaubten 70er-Jahre-Setting angesiedelt. Tatsächlich behauptet diese fiktive Radiosendung nur eine Episode aus der Serie „Berühmte Seitensprünge der Weltliteratur“ zu sein und erzählt so herzzerreißend wie klug, so ironisch wie ernst von jener am Leben verzagenden Protagonistin, von Betrug, Heuchelei und Lebenslügen. Es entwickelt sich eine hoch musikalische Fontane-Fassung voller Witz und Ironie und unfassbarer Traurigkeit.

Diese beiden Einladungen sind für das Hamburger Schauspielhaus „eine große Ehrung. Und so etwas im Rücken“, fährt Beier fort, ist in Anbetracht der bevorstehenden Verhandlungen mit dem Hamburger Senat „nicht ganz unwichtig“. Zudem konnte die Intendantin den sehr gefragten Regisseur Simon Stone für „Peer Gynt“ verpflichten. Stone, der mit seinem Burgtheater-„Borkman“ dieses Jahr in Berlin vertreten ist, lieferte in Hamburg zwar keine Theatertreffen-verdächtige Arbeit ab. Aber dank Angela Winkler, Maria Schrader und Gala Othero Winter gelang ihm eine diskutable Umdeutung des Stationendramas. Forsch interpretiert Stone das Peer-Gynt-Motiv als zwanghafte Wiederholung, als Fluchtmotor der modernen Frau. Sicherlich ist seine frei assoziative Fassung sprachlich flapsig und nicht zu Ende gedacht, doch als Performance dreier grandioser Darstellerinnen ein Innehalten wert.

„Schiff der Träume“ am 6. und 7. Mai im Haus der Berliner Festspiele, „Effi Briest“ dort auf der Seitenbühne, 20. bis 22. Mai.

Katrin Ullmann

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