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Kreuzpunkt der Kulturen: Die M’schatta- Fassade.

© bpk / Museum für Islamische Kuns

Thema "Humboldt-Forum": Ein Wüstenschloss auf dem Schlossplatz

Die Fassade des omaijadischen Wüstenschlosses M'schatta kann in der Sammlung für islamische Kunst im Pergamonmuseum nicht richtig präsentiert werden. Eine Lösung wäre, diese im neu zu schaffenden Humboldt-Forum im Stadtschloss unterzubringen.

Die Diskussion um den Wiederaufbau des Berliner Schlosses war im Grunde immer eine Fassadendebatte. Es ging vor allem darum, Schlüters Barockfassade als krönenden Abschluss der Achse Unter den Linden wiederherzustellen. Die inhaltliche Füllung des Humboldt-Forums, die Konzepte um eine zeitgenössisch angemessene Präsentation der Schätze der Weltkulturen, erschienen dagegen immer zweitrangig und haben bis heute nicht zu überzeugenden Ergebnissen geführt.

Nun ist um eine andere Schlossmauer Streit entbrannt. Die reich ornamentierte Fassade des omaijadischen Wüstenschlosses M’schatta, unweit der jordanischen Hauptstadt Amman gefunden und 1903 nach Berlin gebracht, gilt als Höhepunkt der Sammlung des Museums für Islamische Kunst, der im Pergamonmuseum derzeit nicht angemessen präsentiert werden kann.

Die im Krieg beschädigte Fassade ist dort über Eck aufgebaut, und auch das nicht in voller Länge. Doch die Verlegung vom Obergeschoss des Südflügels ins Hauptgeschoss des Nordflügels sorgt derzeit für große Probleme. Zuletzt hat der Landesdenkmalrat gegen den geplanten Umbau des sogenannten Stadtbahnsaals und die Aufstellung der Fassade vor der Nordwand protestiert. Doch vom Plan eines krönenden Abschlusses des Rundgangs durch die archäologischen Großarchitekturen vor der M’schatta-Fassade wollen die Staatlichen Museen nicht lassen. Der Streit nimmt verbissene Züge an: Nun attackierte Stiftungspräsident Hermann Parzinger den Denkmalrat, er greife in die Planungshoheit der Museen ein.

Sollte die Unesco ihr Veto gegen die Umbauten im Inneren des Pergamonmuseums einlegen und mit Verlust des Welterbestatus für die Museumsinsel drohen, muss erheblich umgeplant werden – dort, wo zeitgenössische Museumspräsentation mit der denkmalgeschützten historischen Museumssubstanz in Konflikt gerät. Ob das Museum bei seiner geplanten Wiedereröffnung 2030 architektonisch noch auf der Höhe der Zeit sein wird, darf bezweifelt werden.

Dass der Architekt Oswald Mathias Ungers, der 2000 den Zuschlag zum Umbau erhielt, kurz nach Fertigstellung der Pläne 2007 verstarb, macht die Sache nicht einfacher. Die „Werkgemeinschaft Pergamon“, bestehend aus den Architekturbüros Kleihues + Kleihues sowie Walter A. Noebel, die für die Ausführungsplanung bestellt sind, dürfte urheberrechtlich eng an die Entwürfe gebunden sein, ohne die Möglichkeit zu großen Änderungen. Die Kosten steigen ohnehin. Derzeit beschäftigt man sich mit Fragen der Baukonstruktion, Haustechnik und Raumdisposition. Ab Herbst 2012 soll der Nordflügel nach Ende der Ausstellungen zu Tell Halaf und Pergamon freigeräumt und umgebaut werden.

Jetzt ist Zeit und Gelegenheit, noch einmal umzudenken. Die Museumsinsel-Planung stammt aus den Neunziger- und frühen Zweitausender-Jahren. Ist sie angesichts der Entwicklungen am Schlossplatz noch auf dem neuesten Stand? Braucht man im von David Chipperfield entworfenen Eingangsgebäude tatsächlich großzügige Auditorien, Konferenzräume und Museumsshops, wenn gegenüber im Humboldt-Forum eine Agora entsteht? Ist die archäologische Promenade, ein Schnelldurchgang für Bustouristen, dem auch der Pergamon-Rundweg seine Existenz verdankt, noch zeitgemäß, wenn eine Vergrößerung des Museumsareals die Touristenströme verteilen wird? Ist das Bild eines geschlossenen Rundgangs durch 6000 Jahre europäische Kulturgeschichte angesichts der Humboldt-Öffnung zu den Weltkulturen hin noch zu halten?

Die erste Konsequenz aus solchen Fragen könnte heißen: Das Museum für Islamische Kunst gehört ins Humboldt-Forum. Nicht im Rundgang der antiken Funde von Babylon über Tell Halaf bis Milet und Pergamon hat die islamische Kultur, die mit der Wüstenfassade von M’schatta Mitte des 8. Jahrhunderts den Weg in die mittelalterliche europäische Architektur und Lebenswelt weist, ihren Platz. Sondern im Dialog mit anderen Weltkulturen, also mit dem Asiatischen und dem Ethnologischen Museum. Man braucht nur in das 2010 neu eröffnete Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum zu gehen, um zu erleben, wie inspirierend ein solcher Vergleich unterschiedlicher Lebenswelten über die Kontinente hinweg sein kann. Ähnliche Lebensräume ließen sich mit dem Aleppo-Zimmer aus dem Museum für Islamische Kunst, mit der berühmten Teppichsammlungen, den Buchhandschriften und Alltagsgegenständen mindestens so eindrucksvoll inszenieren. Und im Pergamonmuseum gewänne man Platz, etwa, um die frisch rekonstruierten, spektakulären Funde aus Tell Halaf auch dauerhaft angemessen zu präsentieren.

Das Museum für Islamische Kunst ist unter Fachleuten weltberühmt. Doch eingebettet in den kulturhistorischen Rahmen des Pergamonmuseums erreicht es bei Weitem nicht die Präsenz, die es heute haben müsste. Wo sind die hier aufgewachsenen Kinder der Gastarbeiter und Migranten, die sich im Museum über die Geschichte der Heimatkultur ihrer Eltern und Großeltern informieren? Wo sind die Besucher, die im Museum ein anderes Bild islamischer Kulturen erfahren, als sie es aus Nachrichten und Sarrazin-Debatten gewohnt sind? Das Museum für Islamische Kunst hat eine Schlüsselstellung in der gegenwärtigen Kulturdebatte.

Auch Museumsdirektor Stefan Weber weiß das und möchte seit seinem Amtsantritt 2009 die Exponate aktueller und informativer präsentieren: Nicht mehr nach den für westliche Besucher schwer verständlichen Herrscherdynastien geordnet, sondern eingebunden in gesellschaftliche und politische Zusammenhänge. Kunst und Lebenskultur gehören enger zusammen, als es die Trennung in Kunstmuseum und ethnologische Museen wahrhaben will.

Wie lebten die Menschen im Iran, in der Türkei, in Syrien? Was hat sich von ihnen überliefert? Was haben europäische Forscher und Ausgräber bei ihren Expeditionen gesucht? Wie gehen heutige Generationen mit dem kulturellen Erbe um? Im Humboldt-Forum, wo sich die Ethnologischen Museen ohnehin mit Begriffen wie Kolonialismus, Orientalismus, Fremdheit und Migration befassen, wären solche Fragen am richtigen Ort. Weil dann erst klar wird, dass die islamische Kultur schon immer zu Europa gehörte, im Spanien des 10. Jahrhunderts ebenso wie in den Handelsbeziehungen des 19. Jahrhunderts. Der Platz für das Museum für Islamische Kunst müsste im Humboldt-Forum freilich geschaffen werden: etwa, indem man für die ohnehin nur noch mit einem Alibifenster vertretende Landesbibliothek doch einen vernünftigen Neubau schafft.

Die Planungen für die Neuordnung des Islamischen Museums laufen, ebenso die Konzeptplanungen in Dahlem: Diese Woche findet ein internationaler Workshop zum Thema Präsentation der Sammlungen statt. Natürlich wäre ein Umschwenken radikal und unbequem. Doch ein Islam-Museum auf dem Berliner Schlossplatz wäre nicht nur das Bindeglied, das viele Exponate aus den unterschiedlichsten Berliner Sammlungen in einen neuen, sinnvollen Erzählzusammenhang stellen kann. Es wäre auch das längst fällige Zeichen, dass es uns ernst ist mit einer offenen, vielfältigen Gesellschaft.

Und nun denke man sich die großartige M’schatta-Fassade, aufgebaut hinter den barocken Schlossfassaden Andreas Schlüters: Was für ein architektonischer Dialog, was für ein Anziehungspunkt für den Schlossplatz! Das Pergamonmuseum verdankt Namen und Berühmtheit einem einzigen Exponat, dem Pergamonaltar, um den das Museum 1910 gebaut wurde. Ein Islam-Museum auf dem Schlossplatz, in einem der wichtigsten Neubauvorhaben der Berliner Republik, wäre die angemessene Antwort der Gegenwart.

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