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Romanze am Rande. Liza (Olivia Wilde) ist halb erfroren, als Jay (Charlie Hunnam) sie mit dem Auto aufliest. Beide haben Ärger mit der Polizei.

© Studiocanal

Thriller "Cold Blood": Weiß wie Schnee, rot wie Blut

Fluchtpunkt Kanada: Stefan Ruzowitzkys eiskalter Hollywood-Thriller „Cold Blood“.

Blut, das in den Schnee tropft, kann sehr dekorativ aussehen. Wie eine rote Explosion vor weißem Hintergrund. Man kennt diese Farbspiele aus Filmen wie „Fargo“ oder „Ein einfacher Plan“, in denen eine in Eis und Schnee erstarrte Landschaft auch für die Kälte der Figuren steht. „Cold Blood“ beginnt mit einem Auto, das durch das tief verschneite Michigan jagt. Dann springt ein Elch auf die Straße, der Fahrer versucht auszuweichen, ein Knall, das Auto überschlägt sich, bleibt liegen, steht auf dem Kopf, und Dollarscheine rieseln durchs Bild. Die Geschwister Addison und Liza, gespielt von Eric Bana und Olivia Wilde, haben ein Casino überfallen und wollen nach Kanada. Ein Polizist, der ihnen zu Hilfe kommen möchte, bezahlt dafür mit dem Leben. Sein Blut färbt den Schnee.

Er bleibt nicht das einzige Opfer dieser Flucht, bei der die Geschwister nicht nur den Fahndern, sondern mehr noch den Naturgewalten entkommen müssen. Ein Blizzard zieht auf, es geht ums nackte Überleben. „Lasst sie erfrieren“, knurrt einer der Beamten, die den Spuren folgen. Liza und Addison trennen sich. Sie versucht mit Charme durchzukommen, als Anhalterin, er mit Wut und Gewalt. „Das ist wie in einem alten Kinofilm“, sagt Liza, als sie endlich von Jay (Charlie Hunnam) aufgelesen wird. „Wir sitzen zusammen in einem Auto, und draußen tobt ein Schneesturm.“ So erzählt „Cold Blood“ auch von einer aussichtslosen Romanze, lässt Liza und Jay in der trübseligsten Raststätte der Welt miteinander trinken und tanzen und dann in einem Motel zueinanderfinden. Allerdings hat auch Jay, der einmal als Boxer bei den Olympischen Spielen eine Silbermedaille gewann und gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde, Ärger mit der Polizei. Großen Ärger.

„Cold Blood“ ist ein geradlinig und äußerst ökonomisch inszenierter Thriller, „genau der Film, den ich machen wollte“, sagt der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky. Vor zehn Jahren hatte er schon einmal einen Hollywood-Film gedreht, die in Deutschland und im Zweiten Weltkrieg spielende Militärklamotte „All the Queen’s Men“. Das Unternehmen wurde zum Desaster, die 15-MillionenDollar-Produktion spielte nur 20.000 Dollar ein und hält bis heute den Rekord für den geringsten Return On Investment, die geringste Rendite. Dann bekam Ruzowitzky für das KZ-Drama „Die Fälscher“ den Auslands-Oscar – und eine zweite Chance in Hollywood. Er nutzte sie, um „einen möglichst amerikanischen Film zu machen“. Am Set war der Regisseur der einzige Nichtamerikaner.

In Amerika kam „Cold Blood“ als „Deadfall“ in die Kinos. Der Arbeitstitel lautete „Kin“, ein etwas altmodischer englischer Begriff für Familie. Denn es geht um den Rückhalt und die Kraft, die von einer Familie ausgehen kann, aber auch um die Kämpfe und Verletzungen, die in ihr beginnen. Gestört sind hier vor allem die Beziehungen zwischen Vätern und Kindern.

Addisons und Lizas Vater war ein Monster, und der Bruder versuchte, seine Schwester vor diesem Monster zu schützen. Jays Vater, von Kris Kristofferson als wortkarger Patriarch verkörpert, kann dem Sohn nicht verzeihen, dass er sich einst von der Familie abgewandt hat. Und der Sheriff (Treat Williams) hat eine Tochter (Kate Mara), die zwar auch Polizistin ist, der er aber bloß zutraut, in der Dienststelle Kaffee zu kochen.

Das Tempo von „Cold Blood“ wechselt zwischen Erstarrung und Beschleunigung. Die Protagonisten bewegen sich zu Fuß und im Auto, es gibt eine fulminante Verfolgungsjagd mit Motorschlitten. Schließlich kreuzen sich alle Fluchtlinien in einem Farmhaus an der Grenze zu Kanada, in dem Kris Kristofferson und seine von Sissy Spacek gespielte Frau ein Thanksgiving-Essen mit Truthahn und Kürbiskuchen vorbereiten. Thanksgiving ist das amerikanische Familienfest schlechthin. In diesem Jahr fällt es auf den heutigen 22. November, den Tag des deutschen Filmstarts.

In elf Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar SonyCenter.

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