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Aufrechter Gang. Der Ermittler Noredin (Fares Fares) wirkt wie ein heutiger Lino Ventura. Er ist korrupt und lässt sich nicht für dumm verkaufen.

© Port-Au-Prince Pictures

Thriller „Die Nile Hilton Affäre“: Das Gesetz bin ich

Wut gegen das System: Tarik Salehs Thriller „Die Nile Hilton Affäre“ verknüpft einen Mordfall in Kairo mit dem Arabischen Frühling.

Der Polizist Mostafa Noredin kommt mit einem einzigen Gesichtsausdruck durchs Leben: zerknautscht. Seine Stirn liegt meist in Falten, im Mund steckt stets eine Zigarette und die Augen haben sich tief in ihre Höhlen zurückgezogen. Das Glück verschwand aus Noredins Alltag an dem Tag, als seine Frau bei einem Autounfall ums Leben kam. Seine heruntergekommene Wohnung sieht genauso grau und kaputt aus wie die Stadt, in der sie sich befindet. Kairo galt einmal als schönste Metropole der Welt und ist längst zum dysfunktionalen Moloch geworden, vollgestellt mit illegal hochgezogenen Gebäuden und gelähmt vom Verkehr. Fares Fares, ein schwedischer Schauspieler mit libanesischen Wurzeln, spielt den Helden von Tarik Salehs Thriller „Die Nile Hilton Affäre“ ganz in der Tradition von Lino Ventura, Robert Mitchum und Charles Bronson: desillusioniert, aber zu allem entschlossen.

Im Kühlschrank des Ermittlers liegen lauter Tüten, die mit Geldscheinen gefüllt sind. Es handelt sich um Bakschisch, das ihm die Straßenhändler zustecken, wenn er mit offenem Wagenfenster an ihnen vorbeirollt. Auch als Noredin ins Nile-Hilton-Hotel gerufen wird, wo eine junge Frau in einer Luxussuite erstochen wurde, bedient er sich erst einmal im Portemonnaie der Toten. Das Mordopfer ist die arabische Sängerin Lalena, deren Gesicht auf wandgroßen Plakaten in der ganzen Stadt hängt. Im Radio laufen ihre Lieder, die von der Liebe handeln und den Schmerzen, die sie bereitet: „Du ziehst weiter und lässt mich alleine zurück / Mein Herz hat deinen Namen schon vergessen.“

Vom Polizeifilm zum Politdrama

Der Vorgesetzte, der pikanterweise gleichzeitig Noredins Onkel ist, will die Akten rasch schließen. Die Sängerin, behauptet er, sei eine Selbstmörderin, kein Mordopfer. Dafür hätte sie sich allerdings selbst die Kehle durchschneiden müssen. Vom Hotelbesitzer bekommt Noredin einen Koffer voller Geld, als „kleine Aufmerksamkeit“ zur Belohnung fürs Weggucken. Der Onkel verlangt „Fingerspitzengefühl“ und meint Unterwerfung. Doch der Fall stinkt zum Himmel. Die einzige Zeugin, ein Zimmermädchen aus dem Sudan (Mari Malek), ist verschwunden. Niemand will wissen, wer die Suite gemietet hatte. Ein Abholschein für pornografische Fotos aus dem Besitz der Toten führt zu einem Immobilientycoon (Ahmed Seleem), der mit der Präsidentenfamilie befreundet ist. Noredin mag korrupt sein, doch für dumm verkaufen lässt er sich nicht.

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„Die Nile Hilton Affäre“ ist ein Polizeifilm, der sich langsam zum Politdrama weitet. Der Film basiert auf einem Kriminalfall, bei dem ein ägyptischer Geschäftsmann 2008 eine Sängerin in einem Hotelzimmer in Dubai ermorden ließ. Aber der schwedisch-ägyptische Regisseur Tarik Saleh verlegte die Handlung nach Kairo und ins Jahr 2011, mitten hinein in den Arabischen Frühling. Anfangs wird auf der Polizeiwache ein Gefangener gefoltert, der preisgeben soll, wer eine Demonstration gegen den Präsidenten organisiert hat. Doch die Demonstranten geben nicht nach, sie belagern das Gebäude und zwingen die Beamten in die Flucht.

Kampf gegen die Arroganz der Mächtigen

Der Film zeigt den kurzen Moment der Euphorie, als die protestierenden Ägypter dachten, sie könnten das Regime besiegen. Husni Mubarak musste zurücktreten, doch was folgte, war keine Demokratie, sondern nach einem islamistischen Intermezzo der nächste Militärherrscher, Abd al-Fattah as-Sisi. Der Aufstand war vergeblich, deshalb liegt über den Bildern der „Nile Hilton Affäre“ ein Schleier der Melancholie. Ursprünglich sollte der Film am Originalschauplatz entstehen, doch drei Tage vor Drehbeginn zogen die Behörden in Kairo ihre Erlaubnis zurück. Deshalb wurden die meisten Außenaufnahmen in Marokko gemacht.

„Wir bauen das moderne Kairo“ und „Wir bauen die Zukunft Ägyptens“ steht auf den Plakaten, mit denen der mordverdächtige Immobilienmogul für sein neues Projekt wirbt. Niemand glaubt den Parolen. Den Eliten ist es noch nie um die Zukunft des Landes gegangen, immer nur um ihre eigene. Noredin, der tapfere Polizist, kämpft gegen die Arroganz der Mächtigen, er will den Mörder überführen, auch wenn er zur Kaste der Unberührbaren gehört. In dem wortkargen Ermittler steckt große Wut. Sie will endlich heraus. Er ist das Gesetz.

Im Filmkunst 66 und der Kulturbrauerei, OmU: b-ware, Moviemento, Xenon

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