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Kultur: Tief bewegt

Tanzfestival im HAU:  „Brasil Move Berlim“

Von Sandra Luzina

Gleich beim Eröffnungswochenende im HAU flossen die Tränen. Als die behinderten und nichtbehinderten Performer der DI cia. De Dança sich nach dem Stück „Procedimentos de um Pseudópodo“ zum Schlussapplaus versammelten, da war manchem Tänzer die Rührung anzusehen. Und auch die Zuschauer waren tief bewegt von den brasilianischen Darstellern, von ihrer spielerischen Erkundung der individuellen Bewegungsmöglichkeiten und von dem kollektiven Geist, der sie verbindet.

Der emotionale Faktor war hoch bei „Brasil Move Berlim“, seinem politischen Anspruch wurde das Festival in seiner vierten Ausgabe jedoch nicht gerecht – dazu fehlten diesmal Radikal-Performer wie Luiz de Abreu.

In „A Mulher-Gorila“ vertanzt die Gruppe Dimenti den Gender-Diskurs. Doch vor allem wollten die Jungs mal ihrer Lust am Fummel huldigen. Sie bilden eine Showgirl-Reihe, wobei der Pummelige sein Bein nicht hochbekommt. Wie Pina Bausch auf Brasilianisch mutet es an, wenn die Paartänze entgleisen. Doch hinter dem schönen Schein den Drill und den Zwang sichtbar zu machen, gelingt nicht. Die Boys dürfen herrlich tuntig sein, doch subversiv ist das nicht gerade.

Die Zuschauer nicht nur emotional zu packen, gelang Denise Stutz in „3 Solos em um tempo“. Stutz verkörpert brasilianische Tanzgeschichte, sie ist ein wandelndes Archiv der Bewegungen. Ihr Solo ist persönliche Selbstbefragung zugleich ein Exkurs in Kunstpraktiken. Am Ende zieht sie sich ganz selbstverständlich aus, sie zeigt, wie sich Bewegungen in den Körper einschreiben und wieder ausgestrichen werden. Was bleibt, ist dieser nicht mehr junge Körper als Träger von Erinnerungen und Emotionen.

Enttäuschend fiel das Programm „Danças de Repertorio“ aus, für das die Companhia de Dança da Cidade Choreografien aus den letzten 30 Jahren rekonstruierte. Das einzig interessante Stück des ersten Abends stammt von Lia Rodrigues, die mit einer ins Groteske spielenden Körperlichkeit experimentiert. Bei dieser Auswahl konnte man sich nur wundern. Waren die Siebziger- und Achtzigerjahre Jahre in Brasilien wirklich so brav? Oder ist das hier eher der Beschränktheit des akademischen Blicks geschuldet? Sandra Luzina

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