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Kultur: Tiefblaue Klänge - Start der Konzertreihe im Berliner Podewil

Beim Zeitkratzer-Ensemble ist Enttäuschung Programm - die Enttäuschung bequemer Erwartungshaltungen und Hörgewohnheiten. Die zehnköpfige Formation besteht aus Komponisten und Improvisations-Musikern, die ganz unterschiedliche Musizierhaltungen in die Ensemble-Arbeit einbringen.

Beim Zeitkratzer-Ensemble ist Enttäuschung Programm - die Enttäuschung bequemer Erwartungshaltungen und Hörgewohnheiten. Die zehnköpfige Formation besteht aus Komponisten und Improvisations-Musikern, die ganz unterschiedliche Musizierhaltungen in die Ensemble-Arbeit einbringen. So liegt das Experiment oft nicht in den Stücken selbst, sondern im Konzept etwa einen der Notenschrift unkundigen Avantgarde-Rocker als Komponisten auf das Ensemble loszulassen. Innovation und Fiasko liegen da nah beieinander. Die Eröffnung der dreiteiligen Konzertreihe der Zeitkratzer im Podewil blieb ohne Enttäuschung (weitere Abende am 5. und 14. 6.). Mit der Uraufführung von "SchwarzTief" aus dem Zyklus "Einkehrtag / Das BLAUMEER" erwies sich Helmuth Oehring wiedereinmal als sensibler Komponist spannungsvoll geräuschhafter Klanggesten und knapper musikalischer Prozesse. Den zur Arena umgebauten Saal des Podewil umgab er mit einem vorproduzierten Surround-Klang, dessen Instrumentalfragmente sich verwirrend nah der Live-Musik annäherten. Tiefblaue Beleuchtung unterstützte diesen Eindruck der Unsicherheit. Die Bläser taten sich in dem durch reale Geräusche und dunkles Flüstern stark assoziativen Hörstück mit sauber ausgestalteten Windgeräuschen hervor.

Carsten Nicolai, der als Liebling der intellektuellen Club-Szene unter dem Pseudonym noto/rastermusic sonst eher in Bildender Kunst und Elektronischer Musik zuhause ist, schrieb den Zeitkratzern mit "c1, c2" ein sich langsam entwickelndes Oktett auf den Leib. Ein tiefes Quint-Organum der Streicher färben drei Bläser mit Liegeklängen unterschiedlich ein und entfalten so sensibel musizierte Oberton-Schwebungen. Erst nach der Hälfte des Stückes entfaltet sich nach und nach in Perkussion, Kontrabass und elektronischen Störknacken ein ritualhafter Summenrhythmus, der spiegelbildlich wieder abgebaut wird. Zurück bleiben sacht eingeworfene dissonante Klavier-Mehrklänge, wobei eine fehlende Wiederholung am Ende das Stück nicht wirklich schließen lässt.

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