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Kultur: Tigersprung ins Neue

DEUTSCHE OPER Robert Carsen nimmt in „Die Liebe zu den drei Orangen“ Berliner Theatermoden aufs Korn.

Die „Spötter“ sind der Schlüssel zu Sergej Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“, meint der Regisseur Robert Carsen. Sie beherrschen die Oper, fordern zu Beginn das Öffnen des Vorhangs und kommentieren die Handlung. Immer wieder diskutieren die verschiedenen Chorgruppen die Machart des Stücks, wollen in das Geschehen eingreifen, fordern das, was sie ohnehin schon kennen, wollen mehr Emotionen oder schlicht einen anderen Handlungsverlauf. Schließlich sind alle verwirrt und können der Geschichte kaum noch folgen. Auch das Publikum im Zuschauerraum sollte kein nachvollziehbares Märchen erwarten, darum ging es Prokofjew nicht, als er diesen surrealen Theaterspaß komponierte.

Ein kranker Prinz, eine böse Fee, ein Fluch und drei Orangen, aus denen sich Prinzessinnen herausschälen, das sind nur einige der Zutaten zu einem Stilmix, dessen Handlung oder gar Sinn nicht leicht zu fassen sind. „Diese Oper ist außergewöhnlich“, schwärmt Robert Carsen, „in jeder Sekunde wird ganz bewusst Theater gemacht und als Konstruktion ausgestellt. Hier wird kein Realismus behauptet. Die Figuren haben sehr viel mit der Commedia dell'arte zu tun, ohne jemals ins Klischee zu verfallen. Diese Oper ist nicht sentimental, die Musik will gar nicht emotional sein wie in einer traditionellen Oper, sondern treibt die scheinbar verrückte Handlung an. In den Orchesterklängen, den Fanfaren und Märschen wird die Oper immer wieder unterbrochen und ironisiert.“

Die „Spötter“ wollen immer nur das Allerneueste auf der Bühne sehen, lassen keine Traditionen gelten und ziehen über alles her, was dem konservativen Theaterliebhaber am Herzen liegt. Das grundlegende Problem der Avantgarde ist jedoch, dass sie schnell aus der Mode kommt. Gerade in Berlin haben sich Publikum und Theatermacher gegenseitig angefeuert. Mit unermüdlicher Energie wurde Neues ausprobiert, bejubelt und schon wenig später als langweilig verworfen. Eine Reise durch die Geschichte der Berliner Theaterinnovationen wird Robert Carsen auf die Bühne der Deutschen Oper bringen, so viel verrät er, auch wenn er keine Details ausplaudern möchte. An der Bismarckstraße waren bereits seine Interpretationen von „Macbeth“ (aus Köln) und „Ariadne auf Naxos“ (aus München) zu sehen. Die Nachfrage nach seinen Inszenierungen ist so groß, dass viele davon an mehreren Theatern gezeigt wurden. „Die Liebe zu den drei Orangen“ soll aber eine exklusive Berliner Erscheinung bleiben, weil sie sich punktgenau auf den Ort bezieht, gibt Carsen zu bedenken: „Es macht große Freude, wenn eine Inszenierung von anderen Theatern eingeladen wird. Ich will aber auf keinen Fall Konfektionsware anfertigen, die an möglichst vielen Theatern passt. Meine Arbeiten sollen maßgeschneidert sein für den jeweiligen Ort. Diesmal hat es sich vollkommen natürlich ergeben, dass meine Ideen ganz genau zu Berlin und seiner Geschichte passten.“

Dann beeilt Carsen sich jedoch zu betonen, dass die Zuschauer sich nicht besonders gut in der Berliner Theatergeschichte auskennen müssen, um Spaß an der Aufführung zu haben. Schließlich handle es sich um eine Komödie und nicht um ein theaterwissenschaftliches Examen. Bei der Vorbereitung beschäftigt einen Regisseur immer auch die Frage, was der Komponist mit diesem Werk bezweckt haben könnte. Robert Carsen räumt freimütig ein, dass er bei der „Liebe zu den drei Orangen“ noch keine Antwort gefunden hat: „Ich muss so viele Dinge gleichzeitig beachten. Die Satire muss auf den Punkt genau sitzen, und gleichzeitig muss die Abenteuergeschichte von zwei jungen Männern, die eine aufregende Reise machen, funktionieren. Dann ist die Oper plötzlich vorbei, die Bösen sind verschwunden und alle sind glücklich. Ein faszinierendes Werk, bei dem die Katharsis einfach ausfällt.“ UWE FRIEDRICH

Premiere 9.12., 18 Uhr. Auch 13., 17. und

21.12., jeweils 19.30 Uhr, sowie 25.12., 18 Uhr

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