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Gold steht ihm gut. Tim Fischer, 46, lebt in Berlin.

© Barbara Braun/Tipi am Kanzleramt

Tim Fischer im Tipi am Kanzleramt: Haarige Hupfdohlen

Knallige Chansonparty: Tim Fischer feiert 30 Bühnenjahre im Tipi am Kanzleramt - in Frack, Pelz und Netzhemd.

Eine Band in hellblau schillernden Sakkos, wilde Nebelschwaden, bunte Spots, zwei haarige Hupfdohlen und später sogar Nippelalarm, denn der Chansonnier wechselt ins Netzhemd. So sieht das also aus, wenn Tim Fischer im Tipi am Kanzleramt eine Party für seine ihn von der ersten Premierenminute an auf Händen tragende Gemeinde schmeißt.
Der sonst so distinguierte Chansonnier hat aber auch Grund, die Korken knallen zu lassen. Mit seinen 46 Lenzen hat der Waldorfschüler aus Delmenhorst in den letzten 30 Jahren eine der großen Kleinkunstkarrieren des deutschsprachigen Raums hingelegt.

Klar feiert er den Tourauftakt des Jubiläumsprogramms „Zeitlos“ in Berlin, wo er seit den Neunzigern zu Hause ist. Im golddurchwirkten Frack und unter zahllosen in die Menge geworfenen Küssen.

Den Opener macht eine poppige Version von Nikko Weidemanns Hit „Zu Asche, zu Staub“ aus der Serie „Babylon Berlin“, in der Tim Fischer als früher Zwanziger-Jahre-Wiedergänger auch mitspielt. Die zweieinhalbstündige, vom zeitgleich erschienenen Doppelalbum „Zeitlos“ flankierte Show vereint alte und neue Songs aus Tim Fischers keineswegs nur Kreisler- oder Knef-Lieder umfassenden Repertoire.

Der Plan, dem Affen mal ordentlich Zucker zu geben und – mittels eines jungen und eines alten Tanzboys – Ironie und Drag-Camp auf die ernste Chansonbühne zu bringen, geht allerdings nur bedingt auf. Dafür fallen die betont bekloppten Tanzeinlagen dann doch zu unfertig aus.

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An Witz, Esprit und Eleganz geht nun mal nichts über Tim Fischers Kunst, ein Lied als theatralische Miniatur darzubieten. Als große Oper in zweieinhalb Minuten. Mal melancholisch-elegant wie in Stephan Sulkes abgeklärtem Liebeslied „Lotte“, mal kabarettistisch verjuxt wie beim Hollaender-Couplet „Stroganoff“, mal melodramatisch wie im Klassiker „Non, c’est rien“.

Tim Fischer trägt endlich Schweißperlen statt Parfüm

Unglaublich und minutenlang bejubelt wird, was Tim Fischer aus „Was willste denn in Wien?“ macht, einem Hit der Salon-Hip-Hopper Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn. In Lederhose und Webpelz grimassiert und gestikuliert er als Teilzeit-Ghettobruder und meißelt Österreich verballhornende Reime im Falco-Stotter-Stakkato in die Luft. Nichts erinnert da mehr an die Chanson-Diva, deren manierierte Gesten fast zu wächsern geraten, endlich trägt Tim Fischer Schweißperlen statt Parfüm.

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Was die Party-Band angeht, die aus Stammpianist Rainer Bielfeldt, Bass, einem zu lauten Schlagzeug (Bernd Oezsevim) und Gitarrist Jo Ambros besteht: Sound und Arrangements korrespondieren in der Elektrovariante, die die akustischen Parts dominiert, mit den Netzhemden. Die sind voll Achtziger. So wie die rockopernhaft grell gniedelnde E-Gitarre. Immer wenn Ambros sie mit der akustischen vertauscht und der Bassist Oliver Potratz wieder zum Kontrabass greift, atmen auch wenig orthodox veranlagte Liederfans auf. Nichts gegen eine Popschlager-Sause, aber Chanson steht Tim Fischer viel besser.
[Tipi am Kanzleramt, bis 27. 10., 20 Uhr, So 19 Uhr]

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