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Kultur: Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci

Der Garten ist mehr als ein schöner Ort: Er spiegelt die Ideen- und Seelenwelt Friedrichs II.

Friedrich der Große als Gärtner? Das ist neu. Tatsächlich wurde die berühmte Gartenanlage von Sanssouci unter der eigenwilligen Regie des Königs zum Spiegelbild seiner persönlichen und politischen Rolle. Friedrich zeichnete selbst Pläne, orderte kostspielige Pflanzen, gab das Programm der Statuen und Bauten, ihre Anordnung und oft auch ihr Aussehen vor. „Die Anlage ist nach eines großen Königs Idee so und nicht anders gemacht worden“, verteidigte Hofgärtner Friedrich Zacharias Saltzmann 1786 Park Sanssouci gegen die Kritik des Kieler Gartentheoretikers Christian Cay Lorenz Hirschfeld, der sie veraltet und misslungen fand. Hirschfelds Urteil teilt niemand mehr, aber verstehen wir Friedrichs Gartenkunstwerk heute besser?

Die Kunstgeschichte hat sich lange schwergetan, Gärten überhaupt als vollgültige Kunstwerke anzuerkennen. Nur selten wurde die Frage nach ihrem Bedeutungsgehalt gestellt, dessen Rekonstruktion stark von unserer Einschätzung des Auftraggebers abhängt. Angesichts des extrem schwankenden Bildes des umstrittenen Preußenkönigs blieb die Deutung seines Gartens eine ungelöste Aufgabe. Erst die jüngere Friedrich-Forschung, die die Komplexität und Widersprüchlichkeit seiner Persönlichkeit respektiert und auch seinen intellektuellen und geschmacklichen Eklektizismus als charakteristischen Wesenszug begreift, erlaubt uns die These, dass Friedrich II. in Sanssouci seine ganz persönlichen Vorstellungen von Tod, Glück und Ruhm inszenierte. Wie in einer Nummernoper – dem Opernliebhaber Friedrich bestens vertraut – fügt sich überraschend Szene um Szene zu einer räumlich erlebbaren Bildargumentation.

Die Grundstruktur der ab 1744 entstandenen Anlage bilden die zwei Hauptachsen, die sich unterhalb des Weinbergs im großen Fontänenrondell schneiden: Die „Achse der Erkenntnis“ verläuft vom südlichen Zugang über die Götterversammlung den Weinberg hinauf durch Schloss und Kolonnadenhof bis zum Ruinenberg. Sie ruft einen Prozess philosophischer Reflexion hervor, der mit der Initiation durch die Sphingen Georg Franz Ebenhechs einsetzt. Diese entpuppen sich bei näherem Hinsehen als „Fortsetzungsgeschichte“, indem der verschleierte Knabe aus der linken Gruppe in der rechten den Schleier abgestreift hat und von der Sphinx gewaltsam zum Schauen gezwungen wird. Die Szene lässt sich auf das Trauma beziehen, das Friedrich 1730 bei der Hinrichtung seines Freundes Katte erlitt. Die abwehrende Geste des Knaben demonstriert Friedrichs Widerstand gegen die Unterwerfung unter den väterlichen Willen, während das Entschleierungsmotiv auf seine Aufnahme in den Freimaurerbund (1738) anspielt.

In ähnlicher Weise lassen sich durch Rekonstruktion der jeweiligen Kontexte die weiteren Stationen neu lesen, bis hinauf zur Schlossterrasse, auf der Friedrichs Todesethos thematisiert ist: Das von ihm geforderte Recht auf einen selbstbestimmten Tod wird durch die plastische Darstellung des Selbstmordes der Kleopatra auf der Westseite verkörpert, die „natürliche“ Rückkehr von Leib und Seele in den Kreislauf der Natur durch die Floragruppe über Friedrichs geheimer Gruft im „Ewigen Osten“ (wie es im freimaurerischen Meisterritual heißt).

Ein Schlüsselwerk ist auch der „Betende Knabe“ im östlichen Gartenpavillon. Die als Ikone homophiler Sehnsüchte aus dem Nachlass des Prinzen Eugen von Savoyen (1663-1736) erworbene Antike verweist auf die im platonischen Sinne zu den geistigen Dingen hinführende Freundschaft unter Männern, wie sie Friedrich in seiner legendären „Tafelrunde“ suchte. Am Ende des Aufstiegs entpuppt sich das an die Größe Roms erinnernde Fernziel des Ruinenberges als Vanitasmotiv. So bleibt das Hier und Jetzt in Sanssouci die beste aller möglichen Welten: „Carpe diem“ – Genieße den Augenblick im Wissen um deinen Tod! – ruft uns Friedrich im Geiste des Horaz in seinem Sanssouci-Gedicht von 1747 zu. Und definiert damit sein Weinbergschloss als poetischen Ort in Arkadien.

Im Gegenzug zu diesem individuellen Reifungsprozess verkörpern die Stationen der „Achse der Macht“ Friedrichs dynastischen Anspruch und seinen Ruhm als Kriegsherr. Sie erstreckt sich vom altägyptischen Herrschaftszeichen des Obelisken im Osten gleichsam auf einem Zeitstrahl bis zur „Fanfaronade“ des Neuen Palais, das Triumph und Ruhm Preußens im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) feiert.

Der Autor ist Professor für Kunstgeschichte an der TU Berlin. Soeben erschien von ihm und Marcus Köhler „Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci: Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen“, Hatje-Cantz-Verlag 2012, 16,90 Euro

Adrian von Buttlar

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