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Kultur: Tönendes Welttheater

KLASSIK

Rund 430 Jahre alt und lexikonberühmt ist die Motette „Spem in alium“ von dem Engländer Thomas Tallis, die den Rundfunkchor Berlin zum Sieger in einem Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin macht. Als Raummusik für acht 5-stimmige Chöre komponiert, verwandelt das Stück die Philharmonie in ein tönendes Welttheater: Hier acappella gesungen, fasziniert eine Renaissancemusik für 40 Stimmen. Noch gewaltiger muss sie den Komponisten Peter Ruzicka ergriffen haben, als er einer Interpretation in der Westminster Cathedral beiwohnte. Sein Nachdenken über „Tallis“ führte zu „Einstrahlungen für großes Orchester“, die sich ins klanglich Immaterielle vom Vorbild entfernen, um ihm und seiner Geschichtlichkeit in einem Solostreicher-Zitat ganz nahe zu sein. Als Dirigent eigener Werke behauptet sich Ruzicka am besten. „Recherche“ für Chor und Orchester ist Teil seiner Oper „Celan“ und beschwört das Symbol der Himmlischen Stadt. Elf Mal erklingt das Wort Jerusalem wie eine Anrufung, Hammerschläge antworten: Das ist Theatermusik und Klagelied zugleich. Der C-Dur-Beethoven der Leonoren-Ouvertüre und des Tripelkonzerts zeigt, wie sich das Orchester seinem Ex-Intendanten verbunden fühlt: Noch ist Ruzickas Dirigiertalent nicht voll ausgeprägt, trotzdem sitzen die Musiker auf der Stuhlkante. Zweiter Abendsieger ist das Trio Fontenay (M. Mücke, J. P. Maintz, W. Harden), weil sein Konzertieren das Musikverständnis verschwisterter Individuen ausstrahlt.

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