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Kultur: Toleranz und Tabu

Zeitgenössische indische Kunst ist im deutschen Kunsthandel noch terra incognita.Interessenten für dieses Sammelgebiet mußten bislang nach London, Amsterdam oder New York reisen.

Zeitgenössische indische Kunst ist im deutschen Kunsthandel noch terra incognita.Interessenten für dieses Sammelgebiet mußten bislang nach London, Amsterdam oder New York reisen.Nun eröffnete Ranjana Steinrücke mit "The Fine Art Resource" die erste und einzige Privatgalerie in Deutschland mit dem Schwerpunkt aktueller indischer Kunst.Sie ist die Berlin-Dependance der gleichnamigen Galerie in Bombay.Bis 1995 war Ranjana Steinrücke dort mit dem Aufbau des indischen Teils der Kunstsammlung der Deutschen Bank betraut, die Werke zeitgenössischer indischer wie deutscher Künstler unter einem Dach vereint.

Lange hatte die aktuelle bildende Kunst in Indien im Vergleich zu Musik oder Literatur nur relativ geringe Beachtung gefunden.Erst Anfang letzten Jahres wurde in Bombay die National Gallery of Modern Art eröffnet.Zuvor besaß Indien bei einer Bevölkerungszahl in Billionenhöhe nur ein Nationalgalerie in Neu Delhi.Der Kunsthandel aber erlebt derzeit geradezu einen Boom."Die Nachfrage von Firmen, Konzernen, Geschäftsleuten ist enorm", so Steinrücke: "Alles ist im Handumdrehen ausverkauft".

Vergangenes Jahr zog Rajana Steinrücke mit ihrem deutschen Ehemann nach Berlin.Seit zwei Wochen sind die Ausstellungsräume in Charlottenburg geöffnet.Nicht mehr als zwei, höchstens drei Ausstellungen wird sie dort pro Jahr zeigen.Die Galerie strebt eine Kooperation mit möglichst vielen international orientierten Institutionen wie dem Daad oder der Akademie der Künste an.Vorgesehen ist die Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt, das für das Jahr 2001 eine große Überblicksschau aktueller indischer Kunst vorbereitet.Wenn das Museum in Dahlem nach seinem Umbau wiederöffnet, wird es dort erstmals 200 Quadratmeter Fläche für Wechselausstellungen zeitgenössischer indischer Kunst geben.

Die Eröffnungsausstellung zeigt Bilder und Aquarelle von Bhupen Khakhar.Seine Arbeiten waren bereits im Centre Georges Pompidou, in der Tate Gallery und der Royal Academy London zu sehen.1992 nahm er an der documenta IX in Kassel teil.Sein Einfluß innerhalb der Kunstszene seines Landes beschränkt sich nicht auf bildende Künstler, sondern schließt auch Schriftsteller und Filmemacher ein.Für einen seiner Kataloge schrieben Richard Burden und Salman Rushdie die Texte.Khakhar wiederum hatte zuvor Salman Rushdie porträtiert, das Bild hängt in der National Gallery London.

Khakhar, geboren 1934 in Bombay, verbindet großstädtisch geprägtes Denken mit Eindrücken aus dem ländlichen Alltagsleben.Er greift Elemente der Populärkunst bis zum Kitsch auf sowie auch Anregungen religiöser Kunst, spätindischer Miniaturmalerei oder europäischer Frührenaissance.Khakhar hüllt seine Figuren in Farb- und Lichtstimmungen, deren traumverlorene Atmosphäre ihre Nacktheit umhüllt wie ein schützender Kokon.

Unverhüllt bekennt sich Khakhar in seiner Kunst zur eigenen Sexualität.Daß wegen der Darstellung männlicher Geschlechtsorgane jahrelang kaum eine Institution seine Bilder zu zeigen wagte, überrascht zunächst.Schließlich kennt man etwa von hinduistischen Tempeln äußerst freizügige Darstellungen, die auf einen traditionell offenen Umgang mit dem Thema schließen lassen.Mild lächelnd liefert Khakhar das Schlüsselwort: "gay".Bei Homosexualität, zu der sich der Maler frei bekennt, ist die Tabuschwelle gesellschaftliche Toleranz rasch überschritten, zumal in einer stark auf traditionelle Familienwerte fixierten Kultur.Schalkhaft schlägt er die Philister mit ihren eigenen Waffen: Im Sprachstil eines Revolverblatts betitelt er ein Aquarell: "An Old Man from Vasad who had Five Penisses Suffered from a Runny Nose"."Fünf Penisse zu haben", erklärt er schmunzelnd, "ist in Vasad nichts Besonderes.Aber sich öffentlich die Rotznase zu schneuzen, das ist schlimm."

The Fine Art Resource, Mommsenstraße 56, bis 30.Juni, Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr.

ELFI KREIS

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