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Kultur: Tolle Tollen

Seine Lieblingsfrisur: eine im ewigen Coiffeurs-Eis erstarrte Endmoräne. Auch sonst steht der Bulgare Alex Iwanchew mit seinen tollkühnen Fön-Kreationen ziemlich allein.

Seine Lieblingsfrisur: eine im ewigen Coiffeurs-Eis erstarrte Endmoräne. Auch sonst steht der Bulgare Alex Iwanchew mit seinen tollkühnen Fön-Kreationen ziemlich allein. Alex will den von einer westlichen Haarpflegefirma gesponserten ersten Balkan-Friseur-Wettbewerb gewinnen. Doch der Sieg will nicht recht gelingen. Vielleicht weil seine eher welligen als markanten Herren-Frisuren sich der vom Reglement geforderten Geschlechterzuordnung subtil entziehen?

Aber egal: Alex ist ein Frisuren-Fanatiker, ist jung und sieht gut aus - ein goldglitzernder Strahlemann. Kaum vorstellbar, dass er seine Glanzgestalt jeden Morgen aufs neue einem Ort entringt, den als Absteige zu bezeichnen schon fast ein Euphemismus ist. Mit acht kleineren Geschwistern lebt der junge Mann in zwei Räumchen eines Plattenbaus. Jeden Morgen macht er die Kleinen zur Schule fertig, bevor er zur Arbeit geht: Der Mutter wurde wegen Vernachlässigung das Sorgerecht entzogen. Die sagt, sie konnte nicht anders, schließlich musste sie ihre Jungs von irgendwas ernähren. Und Arbeit gab es nur anderswo.

Ob man ihr glauben soll? Ob es darauf ankommt? "Ist das Leben nicht wunderbar?" ist ein bitterer und hoffnungsvoller Film, weil er uns Menschen vorstellt, die auch im Elend den Mut nicht aufgeben. Leider lässt uns Regisseur Svetoslav Dragonov dabei keine Gelegenheit, ein eigenes Verhältnis zu ihnen zu entwickeln. Besonders die Kamera nimmt uns mit Zooms, Fisheye-Aussichten und anderen Mätzchen so hart an die Kandare, dass sich bald Widerstand regt. Doch vielleicht sollten wir der Sache wegen des jungen Regisseurs dennoch eine Chance geben. Uneingeschränkte Begeisterung kann dieser Film sicher nicht auslösen. Doch unsere kritische Solidarität hat zumindestens Alex verdient.

S.H.

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