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Kühle Distanz. Walt Disney (Tom Hanks) und P. L. Travers (Emma Thompson).

© dpa/Disney

Tom Hanks spielt Walt Disney: Disneys Land

Der Spielfilm „Saving Mr. Banks“ erzählt die Geschichte des Klassikers „Mary Poppins“ – annäherungsweise und mit Oscar-Preisträger Tom Hanks als Walt Disney.

Im letzten Jahr kam ein Film in den USA heraus, den es nicht hätte geben dürfen: „Escape from Tomorrow“, eine Psychohorrorfantasie, heimlich in Disneyland gedreht. Und was tat Disney? Nichts. Kein Einspruch, keine Klage, nicht einmal ein Kommentar. Eine überraschend gelassene Geste für einen Konzern, der stets bemüht ist um ein familienfreundliches Image ohne Risse.

Diese Gelassenheit hätte man dem Studio auch gewünscht, als es „Saving Mr. Banks“ produzierte – einen Film über die Entstehung des Disney-Klassikers „Mary Poppins“. 20 Jahre musste Walt Disney die Autorin P. L. Travers bearbeiten, bis sie einer Verfilmung ihrer geliebten Romane widerwillig zustimmte.

„Mary Poppins“ gehört heute zum USKulturschatz, viele können „Spoon Full Of Sugar“ oder „Chim Chim Cher-ee“ aus dem Stegreif mitsingen. Auf einen Oscar durfte man also hoffen, und dem Film ist diese Hoffnung jederzeit anzusehen.

Walt Disney bleibt rätselhaft

Vergeblich, wie man inzwischen weiß. Vielleicht auch, weil Meryl Streep in einer Rede zu Ehren der Hauptdarstellerin Emma Thompson sagte, Walt Disney sei Sexist, Rassist und Antisemit gewesen. Ein kleiner Eklat. Doch der Streit darüber, was Disney für ein Mensch war, tobt schon lange; der Bedarf an einem Film, der zumindest versucht, dem Mann hinter dem Logo näherzukommen, ist groß.

Doch auch in „Saving Mr. Banks“ bleibt Walt Disney eine Chiffre; nur die Personifikation eines hemdsärmeligen Charismas, das die verkrampfte Schrulle von der anderen Seite des Atlantiks knacken will (die gebürtige Australierin wohnte in London und gab sich stets sehr britisch). Dazu passt, dass Tom Hanks, selbst ein All-American-Logo, den Disney spielt. Hanks füllt das Ideal des wohltätigen Märchenonkels voll aus.

Etliche Filme im Oscar-Rennen nahmen sich Freiheiten bei der Adaption wahrer Geschichten. Es ist aber eine Sache, ob man sich Freiheiten nimmt, um der Wahrheit näherzukommen – oder weil man sich nicht dafür interessiert. „Saving Mr. Banks“ sagt nichts darüber, was die Bücher, den Film so besonders macht. Und wie reizvoll hätte das sein können: ein funkensprühendes Zusammentreffen zweier gegensätzlicher Schöpfer und widersprüchlicher Menschen. Disney aber bleibt der Über-Onkel, und Travers’ Schrulligkeit bekommt trivialpsychologischen Unterbau.

Ein Werk ohne Ambitionen

„Saving Mr. Banks“ ist ein Werk ohne Ambition. Ein warmherziger Familienfilm sollte es stattdessen werden, eine Neuauflage von „Der Widerspenstigen Zähmung“ im alten Disney-Stil. Dafür allerdings fehlt es an Charme, Schwung und Mut. Warum da nicht gleich den ganzen Weg gehen und ein Musical daraus machen? Einen Film mit Fantasie? Nur gut, dass kaum Ausschnitte aus „Mary Poppins“ zu sehen sind. Der direkte Vergleich ist nicht schmeichelhaft.

Bei der „Mary Poppins“-Weltpremiere dann weint P. L. Travers. In Wahrheit wohl, weil sie bis zu ihrem Tod die Verfilmung nicht hat ausstehen können. Für sie blieb die Reise in Disneys Land der reinste Horror-Trip. Schade, dass man solche Widersprüche nicht hat aushalten mögen.
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