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"Sex Bomb" ist einer seiner großen Titel: Tom Jones 2018 in der Londoner Royal Albert Hall.

© dpa/A. Parsons

Tom Jones wird 80: Der Tiger ist los

Vom Staubsaugervertreter zum Soul-Star: ein Geburtstagstusch zum 80. des Pop-Entertainers Tom Jones.

Von Jörg Wunder

Die Popgeschichte ist voll von märchenhaften Lebensläufen, in denen aus Lastwagenfahrern (Elvis Presley), Klamottenhändlern (Freddie Mercury) oder Metzgereigehilfen (David Bowie) Weltstars werden. Die Berufserfahrung als Staubsaugervertreter dürfte Tom Jones unter Seinesgleichen aber exklusiv haben. Es ist bezeichnend für den Charakter des Walisers, dass er in seiner Autobiografie von 2015 diesem Kapitel genauso viel Sorgfalt widmet wie den illustren Anekdoten aus einem halben Jahrhundert Popstardasein.

Der gesundheitlich labile Sohn eines Bergarbeiters beweist früh musikalisches Talent, muss aber, als er mit 16 seine schwangere Freundin Linda heiratet, erst mal die junge Familie über Wasser halten. Nach rumpeligem Karrierestart nimmt der Manager Gordon Mills den Sänger unter Vertrag und maßschneidert ihm 1965 den Welthit „It’s Not Unusual“ auf den wohltönende Bariton. Jones’ leidenschaftlicher, verschnörkelter Soulgesang wird sein Markenzeichen, die entfesselte Bühnenperformance sein zweites.

Ob im scharf geschnittenen Anzug oder mit bis zum Bauchnabel aufgeknöpftem Rüschenhemd, Jones’ Sexappeal und seine lasziven Hüftschwünge bringen ein überwiegend weibliches Publikum routiniert zur Raserei. Auf die Bühne prasselnde Slips und Hotelzimmerschlüssel zeigen Wirkung: Der Kosename „Tiger“ bekommt durch Jones’ ungezählte Affären einen dunklen Unterton. Es grenzt an ein Wunder, dass seine Ehe die Eskapaden des polyamourösen Monogamisten überlebt.

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Sein Werdegang beweist, dass eine Popkarriere nicht unbedingt von der Präsenz auf dem Plattenmarkt abhängig ist. Zwar gelingen ihm Single-Hits wie „What’s New Pussycat?“, „Delilah“, „Help Yourself“ oder „She’s A Lady“, doch als Albumkünstler tritt Jones kaum in Erscheinung. Seit den späten 60ern versilbert er vielmehr seinen Ruf als Entertainer: Knapp drei Jahre ist er Gastgeber der TV-Show „This is Tom Jones“, und er hat fürstlich dotierte Engagements in den Casinos von Las Vegas. Dort findet er auch in den 70ern ein solides Auskommen, als seine Popularität nachlässt – für das jüngere Publikum ist der Mittdreißiger ein Fossil.

Exzessiver Lebensstil - und dann eine zweite Karriere

Obwohl seine Freundschaft mit Elvis, die lächerliche Rivalität mit Engelbert Humperdinck und sein exzessiver Lebensstil für mehr Schlagzeilen sorgen als seine Musik, beendet er seine Karriere nicht als peinlicher Pop-Frührentner. Was er nicht zuletzt seinem Sohn Mark Woodward verdankt, der nach Mills’ Tod sein Management übernimmt und ihn ermutigt, auf eine neue Generation zuzugehen.

So bereitet er ein fulminantes Comeback vor: 1999 erscheint das Album „Reload“, auf dem sich Tom Jones, nun fast 60, mit jüngeren Popgrößen wie Robbie Williams, Simply Red oder Portishead misst. „Reload“ verkauft sich fünf Millionen Mal, das vom deutschen Techno-Produzenten Mousse T. geschriebene „Sex Bomb“ wird einer der Partyhits des neuen Millenniums.

Als Elder Statesman des Pop macht er eine klasse Figur

Jones hat gut daran getan, diesen unerwarteten Erfolg nicht zu kopieren. Im Herbst seiner Karriere erweist er sich als gereifter Crooner, dem schöne Alben wie „Praise & Blame“ (2010) oder „Long Lost Suitcase“ (2015) gelingen. Seit dem Ritterschlag durch die Queen 2006 gehört der ehemalige Steuerflüchtling endgültig zur britischen Poparistokratie.

Seit 2012 sitzt er in der Jury der populären BBC-Show „The Voice UK“, wo er an der Seite von Stars wie Jennifer Hudson, Will.i.am oder Olly Murs, die seine Enkel sein könnten, als Elder Statesman des Pop eine klasse Figur macht. Und regelmäßig zum Mikrofon greift. Die künstliche Hüfte erlaubt zwar keine wilden Schwünge mehr. Doch die Stimme von Tom Jones, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird, klingt fast so strahlend wie früher.

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