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Kultur: Toreros im Township

Pittoresk: „U-Carmen“, Mark Dornford-Mays umstrittener Berlinale-Sieger

Furios die Ouvertüre: rasende Kamerafahrten durch die staubigen Straßen des Townships, vorbei an Wellblechhütten, spielenden Kindern, schwatzenden Frauen und dösenden Greisen, an Marktständen und provisorischen Sportplätzen, an kleinen Geschäften, Kneipen und Polizeiposten, an Autowracks, Stadtbrache und Eisenbahnschienen. Und geschnitten das alles im Takt zur auch musikalischen Ouvertüre, denn was wir hier hören – und sehen –, ist: Oper.

Der britische Theaterregisseur Mark Dornford-May hat George Bizets Oper „Carmen“ ins südafrikanische Township der Gegenwart verlegt und mit südafrikanischen Sängern und Laien besetzt. Gesprochen und gesungen wird in Xhosa, einer der Landessprachen Südafrikas. Vor allem die Kulisse pittoresker Armut wohl hatte es dem Regisseur angetan – die Originalschauplätze sind die größte Attraktion dieses Films. Doch jeder Anfangsschwung verflüchtigt sich, und das gesamte Vorhaben bleibt bald im Straßenstaub stecken.

Gelegentlich erlaubt „U-Carmen“ Blicke auf Traditionen und Entwicklungen, die in Südafrika aufeinander prallen – etwa, wenn eine Kuhherde durch eine gläserne Autobahnüberführung getrieben wird und darauf eine pastorale Szene mit einem verträumten Hirten folgt. Ansonsten wird – von Darstellern beiderlei Geschlechts – viel mit den Augen gerollt und mit den üppigen Hüften gewackelt. Die Frauen drehen – wie einst in Sevilla – Zigaretten und baggern Männer in Uniform an; die Männer wiederum werden aus Liebe und Eifersucht zur Vernachlässigung ihrer dienstlichen Pflichten und schließlich sogar zum Verbrechen getrieben.

Alles durchaus ansehnlich und anhörbar. Nur: Warum? Weil der Regisseur ein Südafrika-Liebhaber ist und seiner Frau, der Carmen-Darstellerin Pauline Malefane, eine Hauptrolle schenken wollte? Weil er zu Recht stolz ist auf seine Theatergruppe Dimpho Di Kopane, die das Ensemble bildet und von ihm gegründet wurde? Weil die Oper im Milieu der kleinen Leute spielt und das so gut zum Township passte?

Oder weil er gleich auf den Exoten-Bonus setzte? Der allein dürfte dem Film bei der Berlinale zum Entsetzen der Kritiker den Goldenen Bären beschert haben. Nur deshalb, so darf man annehmen, hat „U-Carmen“ es jetzt ins Kino geschafft.

Filmkunst 66, Yorck

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