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Kultur: Toröffner

Der Dresdner Kammerchor mit Schütz im Konzerthaus.

Eines hat der Großstadtmensch in der Vorweihnachtszeit gewiss nicht: Zeit, um sich auf das Erscheinen des Lichts in der Dunkelheit zu freuen. Kaum nimmt er den spektakulären Adventshimmel über Berlin wahr, weil er geduckt unter falsch blinkenden Eiskristallen seine Einkaufsbahnen zieht. Dabei muss es ja gar nicht immer Bachs Weihnachtsoratorium mit all seinen sechs Kantaten sein. Heinrich Schütz hat mit seiner „Historia, der freuden- und gnadenreichen Geburth Gottes und Marien Sohnes, Jesu Christi, unseres einigen Mitlers, Erlösers und Seeligmachers“ 1664 einen weit kürzeren und dabei überaus eleganten Vorläufer geschaffen. Der Komponist, der sich bei den großen italienischen Meistern in Venedig fortbildete, musste sein langes Leben darauf warten, diese Erkenntnisse endlich in eine neue deutsche Vokalmusik übersetzen zu können. Bis er sich endlich aus dem Tagesgeschäft als Dresdner Hofkapellmeister zurückziehen darf – und sich vollen Herzens der Ankunft Christi zuwenden kann.

Im Dresdner Kammerchor, den Hans-Christoph Rademann 1985 ins Leben rief und heute noch souverän leitet, findet Schütz leidenschaftliche Interpreten. Begleitet vom Dresdner Barockorchester können die Sängerinnen und Sänger im Konzerthaus jederzeit solistisch aus dem schlanken Gesamtklang heraustreten – und dabei ebenso filigran artikulieren. Gerlinde Sämann singt einen ganz und gar überirdischen Engel, Georg Poplutz entdeckt im Evangelisten, dem Schütz einen raffiniert natürlichen Sprachduktus komponierte, immer neue, zarte Wendungen. Und weil es emotional wie zeitlich auf direktem Weg zum „Preis sei Gott in der Höhe“ geht, gibt es allem voran an diesem Abend noch weitere Schütz-Schätze zu erleben: das prächtige Magnificat etwa oder das schwingende „Machet die Tore weit“. Wer wollte da länger säumen. Ulrich Amling

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