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Kultur: Toter Mann

Fernab von Bollywood: „Live aus Peepli“

Der Tod, sagt man, ist umsonst. Manchmal bringt er aber auch ganz schön was ein. Dem überschuldeten Bauern Natha zum Beispiel. Lebend ist er seiner Familie kaum noch eine Hilfe. Tot schon. Stand nicht neulich in der Zeitung, dass die Regierung alle Bauersfamilien mit 100 000 Rupien entschädigt, deren Männer sich das Leben nehmen? Nathas Bruder sagt: Töte dich, dann wird alles gut!

Natha ist noch unentschlossen, da löst ein Journalist mit der Sache einen Medienwirbel aus. Über Nacht verwandelt sich das Dorf Peepli in einen Jahrmarkt. Denn es stehen Wahlen bevor und die Minister, Landesfürsten und Bandenführer tun alles, um Nathas Schicksalsfrage gegeneinander ins Spiel zu bringen. Die einen wollen ihn retten. Die anderen drohen: Wenn du dich nicht bald umbringst, bist du ein toter Mann!

Die Geschichte beruht auf einer bedrückenden Zahl. 182 000 überschuldete Bauern nahmen sich in Indien zwischen 1997 und 2007 das Leben. Eines dieser Schicksale verwandelte die junge Regisseurin Anusha Rizvi in eine derbe, schwarzhumorige und zugleich tieftraurige Dorfposse. Ihre Spitzen gegen die politische Klasse Indiens sind treffsicher, ihr Blick auf die Dorfbewohner ohne falsches Mitleid, aber voller Empathie.

„Live aus Peepli“, Indiens Oscar-Kandidat, hat nicht viel zu tun mit dem hierzulande recht beliebt gewordenen Bollywood-Kino. Zwei Dinge aber haben die meisten indische Filme gemein, ob Bollywood oder „parallel cinema“: die zentrale Bedeutung von Musik – und die beneidenswerte Kunstfertigkeit, mit der sie ausgelassenen Humor mit herzbrechender Tragik verbinden.

Anusha Rizvi drehte mit ihrem Team in einem abgelegenen Dorf. Die meisten Rollen gab sie an Schauspieler aus ländlichen Theatergruppen. Sie verleihen den Figuren eine Wahrhaftigkeit, wie sie mit einer Studioproduktion wohl kaum erreicht worden wäre. Das gilt besonders für Omkar Das Manikpuri: Er spielt den überforderten, kaum je ein Wort sagenden Natha mit der traurig-komischen Zurückhaltung eines großen Stummfilm-Komödianten. Sebastian Handke

OmU im Babylon Mitte und Eiszeit;

englisch untertitelte Originalfassung im

Cinestar SonyCenter

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