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Kultur: Tour de Trance

Eine

von Christiane Peitz

Wir leben in einer Zeit der Ungleichzeitigkeiten. Während das Publikum in diesen Festspielpremierentagen von einer Erregung zur nächsten stolpert, während es in Bayreuth Christoph Schlingensiefs „Parsifal“Hasen jagt, im Kino Bully Herbigs „(T)Raumschiff Surprise“ unbedingt superlativisch zweimillionenfach stürmt, in Salzburg Jürgen Flimms „King Arthur“-Inszenierung Turbulenzen beschert und sich trotz Ferienzeit in der Hauptstadt auf Kultursenator Thomas Flierls Intendantenkarussell begibt, bis dem nimmermüden Zeitgenossen ganz schwindlig im Kopf wird, gähnt gleich daneben still und leise das Sommerloch.

In dieses Loch haben nun offenbar Deutschlands Ministerpräsidenten geblickt und die Rechtschreibreform darin entdeckt. Von wegen Beschleunigung: Seit Mitte der Neunzigerjahre wird das Regelwerk diskutiert, reformiert und novelliert, werden so und anders geschriebene Wörter in unzähligen Sitzungen, etlichen Kommissionen und auf Zeitungsfeuilletonseiten hin- und her- und abgewendet, wird gestritten, gemahnt, protestiert und verbessert. Und jetzt, huch!, melden sich die Chefs von Bayern, Baden-Württemberg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zu Wort, die als oberste Landesfürsten trotz Kulturhoheit der Länder all die Jahre beharrlich zu all dem geschwiegen haben (siehe Tagesspiegel von gestern). Und sie sagen: So geht es nicht. Die Reform der Reform müsse her. Willkommen im Club!

Mit Politikern ist es wie mit Rennradfahrern. Ihr Job erfordert Geschwindigkeit. Auf dass sie bei der Höllentour des permanenten Vorwärtskommens eine Spur schneller ticken als unsereins – als Vorhut der Macher, beweglich im Kopf, fit für die Nation. Aber nein, sie starten lieber die Tour de Trance. Wie viele Minuten liegt Jan Ullrich im Rückstand?

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