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Kultur: Troika im Gegenlicht

Massive Attack im ausverkauften TempodromVON MICHAEL PILZErst am Ende sind sie deutlich zu sehen, wie sie zu dritt an der Rampe stehen.Wie sich Robert Del Naja, der kleine Blasse, an sein Mikrophon klammert.

Massive Attack im ausverkauften TempodromVON MICHAEL PILZErst am Ende sind sie deutlich zu sehen, wie sie zu dritt an der Rampe stehen.Wie sich Robert Del Naja, der kleine Blasse, an sein Mikrophon klammert.Wie der große dunkle Grant Marshall seine Arme tanzen läßt, und wie Andrew Vowles, der Stille, halbherzig ein Tambourin gegen seine Hüften schlägt.Am Anfang überlassen sie ihren Bühnenmusikern die Schau.Dann treten sie aus dem Nebel und erstarren als Silhouetten im Gegenlicht.Sie haben Scheinwerfer und Stroboskope als Blendwerk installiert.Was allen Gepflogenheiten widerspricht, die üblich sind bei einem Konzert vor mehreren Tausend: Leuchte die Stars gut aus.Gestalte eine monumentale Light-Show.Strahle Bilder über die Musiker.Und achte darauf, daß es klingt wie zu Hause auf dem Sofa.Aber hier, im Tempodrom, hier tasten die Bühnenlichter unablässig die Zuschauer ab.Hier gibt es wenig zu bestaunen.Es gibt Momente, wo sämtliche Klänge im Baßbrummen ersticken.Doch es ist ein großartiges Gastspiel von Massive Attack aus Bristol.Ein anderthalbstündiger Trip durch eine schöne und verwirrende Musik im grellen Widerschein in Pink und Blau.Denn plötzlich ist Massive Attack eine Band, die künftig in Stadien spielen wird.Ein Soundsystem ist in Sphären vorgestoßen, vor die der Pop bislang die Ochsentour gesetzt hatte, viele Platten und einprägsame Gesichter.Sie waren selten auf Tourneen und wenn, dann ging es schief wie vor einem Jahr: Oben lehnten sie lässig in der Kulisse und sahen ihrem bekümmerten Publikum zu.Unten schauten sie betreten hinauf zu Begleitmusikanten, die sich über ihren Gitarren krümmten und Massive Attack spielten wie Tanzmusik vom Blatt.Sie nahmen sich fast zehn Jahre Zeit für drei Alben.Und als Gesichter stellen sie noch immer ihre Sänger aus.Tragen allenfalls ihren Rap vor oder die Grußworte von der Bühne.Sie schicken wieder Horace Andy ins Licht, einen Reggaestar der siebziger Jahre, der sich von "Angel" bis "One Love" durch seinen Massive-Attack-Fundus singt.Deborah Miller übernimmt alle bisherigen Frauenstimmen: jene von Shara Nelson und Nicolette, ersetzt Liz Fraser im hübschen neuen "Teardrop".Da verbirgt sich die Troika von Massive Attack weitgehend im Schatten ihrer Interpreten.Zwischen Schlagzeug, Baß und Gitarre stehen Del Naja und Marshall entrückt im Blaulicht.Vowles dreht an den Plattentellern, und sie scheinen die Regeln des Gewerbes gründlich zu brechen.Bisher galt, daß Klubmusik kaum taugt für ein ausverkauftes Konzertzelt.Daß dieser Mix aus Dub, HipHop und Klangmalerei nichts sei für Andacht und Massenjubel.Doch das Tempodrom ist voll.Während der Stücke herrscht feierliche Ruhe.Dazwischen rasen die Besucher, ja womöglich war Massive Attack immer näher am Rock als es die neunziger Jahre zuließen.Sie lärmen sich hier zurück in die Achtziger mit den bedrohlichen Nummern ihres neuen Albums "Mezzanine".Mit allem Pathos und mit allen Verwerfungen zwischen Punk, HipHop und Reaggae-Dub.So ist das schönste Stück des Abends ihre Version des "Man Next Door" von den Slits, einer legendären Punk-Kapelle - unterlegt mit Gitarren von The Cure, von Horace Andy als Reggae gesungen und von der Gruppe als Dub gespielt.Die Bässe drücken in die Mägen.Die Gitarre fährt auch in die älteren Hits und treibt ihnen ihren mutmaßlichen TripHop aus.Und am Schluß sind sie klar zu erkennen: drei Megastars im Underground.

MICHAEL PILZ

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