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Kultur: "Trommeln in der Nacht": Ab ins Bett

Der Stern, der hat fünf Zacken. Er ist rot und liegt auf der Bühne.

Der Stern, der hat fünf Zacken. Er ist rot und liegt auf der Bühne. Er ist zum Wohnen und Klettern da, man kann sich an ihm stoßen oder in seinem Innern verschwinden. Der Stern liegt im Wege, in der Geschichte. Das Jahrhundert, das ihn hervorbrachte, ist vergangen. Der Stern blieb, er glüht auch auf dem Dach des Dresdner Schauspielhauses.

Ist das der Hintersinn von Hasko Webers Auseinandersetzung mit dem Geniestreich des jungen Brecht, "Trommeln in der Nacht"? Eher wohl das freche Bekenntnis zu einer mal draufgängerischen, mal resignativen Wurstigkeit - macht doch mit dem Ding, dem Stern, was ihr wollt. Zwei Clowns, mit rotbeleuchteter Knollennase, nehmen das Publikum an die Hand, vor dem roten Vorhang: "Glotzt nicht so romantisch!" Denn der Regisseur sieht genau hin, was im Text steht. Was Brecht aufnahm von der Novemberrevolution 1919, war die fiebrige Spannung eines Zeitenumbruchs, wie ihn Außenseiter, Entwurzelte und Kriegsgewinnler erlebten. Revolutionäre kommen nicht vor im Stück, Weltveränderung findet allenfalls im Schnapsrausch statt. Es gibt Begeisterung, aber wenn das gesuchte Abenteuer allzu weit vom Tresen wegführt, verliert es seinen Reiz.

Hasko Weber bringt das ohne Umschweife auf die Bühne. Er zeigt die Kleinbürger, die schwangere Braut, den Liebhaber und die Reporter, Säufer, Huren, Budikenbesucher als Gespenster. Brechts Sprache - schnell, dringlich, hochgeladen, explodiert gleichsam in den Körpern. Nur den Kriegsheimkehrer aus Afrika, Andreas Kragler, setzt die Aufführung ab vom akrobatischen Schüttelfrost der zwielichtigen Existenzen. Da ist einer, der hochragend steht, der innehält, nachdenkt, mit sich selbst etwas abzumachen hat. Der deutsche Michel in der Revolution - aber auch er kommt nicht weit. Wieder Brecht: "Er lässt sich von seinen Bewunderern und Jüngern am Arsch lecken und geht mit der Frau heim. Das Bett als Schlussbild. Was Idee, was Pflicht!"

Das nimmt Hasko Weber auf, mit Ironie, mit Hohn, mit Trauer. Wenn sich die Gäste der Schnapsbudike zum revolutionären Zug formieren, entfaltet einer ein quadratisches weißes Tuch. Darauf steht: "Volk". Der Regisseur arbeitet mit überkommenen Bildern, mit schön arrangierten Gruppen um die rote Fahne, wie sie mit Brechts "Mutter" (Demonstrationszug zum 1. Mai) um die Welt gingen oder, pervertiert, im Kulturprogramm von SED-Parteitagen unerlässlich waren. Und doch bleibt in der Aufführung auch das Faszinierende im Aufbruch von ganz unten zu spüren, die beseligende Ahnung eines möglichen Wandels, selbst wenn diesem kurzen Glücksrausch der Alkohol entscheidend nachhilft.

Es ist ein junges Ensemble, das mit hohem Einsatz in knapp zwei pausenlosen Stunden das Stück wie in einem sportlichen Wettbewerb herunterspielt, auf soziale Deutlichkeit bedacht, unterstützt von herausfordernd geschminkten Gesichtern. Aber nicht um Glaubwürdigkeit von Charakteren und historischen Gegebenheiten geht es, sondern um etwas Unernstes, Leichtes, Akrobatisches - um Theater eben. Kragler sagt es zum Schluss ganz unzweideutig - es herrschen Pappe, Papier, Stoff und geklebte Bärte. Der rote Stern steigert das Mühen und das Scheitern der Schwarzgekleideten in eine perspektivische, raumfüllende Größe hinein. Tragik kann dieses Scheitern dennoch nicht beanspruchen. Gespenster machen keine Revolution.

Günter Kurze als Karl Balicke ist der Souverän auf der Bühne, er bringt Brechts expressive Sprache auf die hohe Temperatur, die sie braucht. Angelika Böttiger als Amalie Balicke und Thomas Eisen als Murk stehen ihm nur wenig nach, Jonas Fürstenau als Andreas Kragler betont die Langsamkeit die versponnene Zurückhaltung des Heimkehrers. Christine Hoppe übernahm kurzfristig die Rolle der Anna Balicke, und sie spielt das Mädchen zwischen sexueller Anbiederung und Resten einer liebeverlangenden Naivität mit beeindruckender Kraft. Dass es den Stern der Bühnenbildnerin Iris Kraft schon einmal, fast deckungsgleich, im Deutschen Theater gab (1962, "Der Mann mit dem Gewehr"), mag Zufall sein. Die Aufführung in Dresden jedenfalls erspielte sich offensichtlich gerade deshalb mit ungebärdiger Kraft einen nachhaltigen Erfolg.

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