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Kultur: Tropen an der Spree

Bernhard Schulz blickt auf Außereuropäisches

Das Humboldt-Forum rückt näher, ob in Schlüters Barockfassaden oder in zeitgenössischem Gewand. Die für den Umzug in Berlins Mitte ausersehenen Museen können, ja müssen die mittlerweile in Gang gesetzte Planungs- und Bauzeit nutzen, um die Öffentlichkeit von der Kraft ihrer Ideen für den weltkulturellen Dialog zu überzeugen. Und nicht nur die Dahlemer Ethnologie-Sammlung: Auch die ehrwürdigsten Museen der abendländischen Kunst müssen neue Fragestellungen angehen.

Das ist aus den Programmankündigungen für das noch jungfräuliche Jahr nicht recht zu ersehen. Babylon zum Beispiel: Das lag im Zweistromland, wie es im Geschichts- (und Religions-)Unterricht hieß. Heute befindet sich dort mit dem Irak ein weltpolitisches Krisengebiet ersten Ranges. Was aber ab März der Pariser Louvre, anschließend ab Ende Juni das Berliner Pergamonmuseum und zum Schluss das Britische Museum London zeigen wollen, liest sich wie die gute alte Schulbuchgeschichte: Es geht um den Einfluss der babylonischen Kultur auf die europäische Geistesgeschichte. Gut und schön. Die Ausstellung dürfte grandios werden, bedenkt man die Fülle der babylonischen Zeugnisse in den drei beteiligten Museen; bis hin zur eindrucksvollen Altertums-Rekonstruktion der „Prozessionsstraße“ in Berlin. Aber reicht das?

Näher dran dürfte die Ausstellung „Kunst aus den Tropen“ sein, die im Herbst den Martin-Gropius-Bau füllen wird. Ihren Auftakt hat das Vorhaben derzeit in Brasilia. Was für ein glückliches Zusammentreffen! Die Metropole einer in den fünfziger Jahren erträumten Zukunft öffnet sich den aus verwirrend vielfältigen, auch archaischen und animistischen Quellen gespeisten Kunst „der“ Tropen, die sich nur schwer als zusammenhängender Kulturraum denken lassen. Ob da nicht – aus den weltweiten Jahresankündigungen herausgegriffen – zum Beispiel die „Dak’Art“, die „8. Biennale für zeitgenössische afrikanische Kunst“ in der senegalesischen Hauptstadt, stichhaltigere Hinweise liefern könnte, wie es um Kunst aus zumindest einem erheblichen Teil der Tropen bestellt ist?

Das wäre eine Aufgabe für das Haus der Kulturen der Welt. Die Berliner Institution im frischrenovierten Gebäude – gleichfalls aus einer Zeit, als alle Zukunft noch schönste Verheißung bedeutete – widmet sich ab 14. März unter dem Titel „Re-Imagining Asia“ der zeitgenössischen Kunst des Riesenkontinents. Damit nähern sich im neuen Jahr bereits drei Berliner Häuser den Themen und vielleicht auch den Diskussionsweisen, die künftig das Humboldt–Forum zu weltweiter Resonanz führen soll.

Babylon, Asien und die Tropen: kein Programm, sondern die schiere Zufälligkeit des Veranstaltungskalenders. Eines Kalenders, in dem die gewohnten europäisch zentrierten Themen bei weitem überwiegen, in Berlin wie in aller Welt. Und doch kündigt sich ein Wandel an. Wie alle großen Veränderungen: auf ganz leisen Sohlen.

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