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Kultur: Trost im Scheitern

Ostern mit Daniel Barenboim

Auftritt Tom & Jerry in der Philharmonie, ausnahmsweise einträchtig im Partnerlook: Einreiher mit Stehkragen, hoch geknöpft. Kater Barenboim sitzt rechts am Klavier, übernimmt die Rolle des Takt- und Ideengebers, während Lang Lang, die Maus, den gelehrigen Schüler mimt und brav in den unteren Registern gründelt. Auf dem Programm, zum Einspielen, „Ma mère l’oye“ (Meine Mutter, die Gans), Ravels Kinderzyklus zu vier Händen. Doch statt hier ein witziges, hintergründig-sentimentales Katz- und Mausspiel zu entfesseln, üben sich die Herren in impressionistischer Farbkleckserei: bedeutungsheischend, wabernd, sträflich ungefähr. Das Missverständnis? Ästhetisch sein zu wollen – und auf alles Märchenhaft-Konkrete zu verzichten.

Auch in Liszts „Réminiscences de Don Juan“ für zwei Klaviere gibt Daniel Barenboim den Ton an, scheint freilich weder an der Theatralik noch am Eros in dieser Musik interessiert. Belangloser, leerer hat man „Reich mir die Hand, mein Leben“ auf keiner Opernbühne je vernommen, und dass Lang Lang beim krachenden Übergang zur Champagnerarie trickfilmreif den Jerry macht, legt den Finger erst recht in die Wunde: Toll ist’s, wenn ein Stück vor falschen Tönen und holperndem Zusammenspiel nur so aufjault?

Vor Bartoks Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug (mit Torsten Schönfeld und Dominic Oelze, die sich redlich mühen) hätte man sich am liebsten ins nächste freie Mauseloch geflüchtet wie auch vor jener „Dichterliebe“, die Rolando Villazon zwei Stunden später – wiederum mit Barenboim am Klavier! – in der Staatsoper bot. Müdes, planloses Buchstabieren hier wie da; und wäre nicht Villazon das Entsetzen darüber geradewegs in die Stimmbänder gefahren, man wäre wohl an der Moral dieser beiden hochpreisigen Festtagskonzerte verzweifelt.

So aber, absurd genug, trösten Villazons knödelnde Höhe, seine Intonationsmühen, die falschen Einsätze und verdrehten Textzeilen, das Mäandern seines belegten Tenors zwischen Sprechgesang und Belcanto-Schluchzern. Hier ist einer, dem es noch etwas ausmacht, am musikalischen Gegenstand so offenkundig zu scheitern; der weiß, dass seine Stimmkrise noch nicht überwunden ist. Gewiss, bei Liedern von Duparc und Liszt, vor allem bei den italienischen und spanischen Zugaben, kommt er mehr und mehr zu sich, wird freier, flexibler und wieder Herr seiner gestalterischen Mittel, mit einer teilweise traumhaft schönen voix mixte. Der Schumann-Schock indes sitzt tief, vor allem auch, weil Begleiter Barenboim sich hier wie auf Strümpfen geriert, kaum Hilfe bot oder Halt. Am Ende, heißt es, würden die Schlauen, die Jerrys dieser Welt, stets gewinnen. Wollen wir’s hoffen. Christine Lemke-Matwey

Christine Lemke-Matwey

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