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Amtseinführung: Joes Biden leistete seinen Eid als US-Präsident auf der 125 Jahre alten Familienbibel.

© Andrew Hamik, dpa

Trotz Säkularisierung: In den USA gehören Bibelzitate zur Politik

Demokraten, Republikaner, Biden und sogar Trump: sie alle bemühen Psalmen und andere Bibelsprüche.

Wer hat auf all seinen Münzen und Banknoten Gott mit dabei? Die Vereinigten Staaten von Amerika. „In God We Trust“, das Motto des Staates ist in jede Münze eingeprägt. Das Motto prangt im Abgeordneten Haus zwischen Uhr und Fahne. Es gibt Nummernschilder einiger Bundesstaaten, die dieses Motto ziert, ebenso Schulen oder Universitäten. Amerika ist zwar auch immer säkularer geworden, aber doch immer noch weit religiöser als die europäischen Staaten.

Der Gott auf den hier proklamativ gebaut wird, ist nicht einer Denomination zugeordnet, sondern Ausdruck des Grundverständnisses, dass es jenseits der weltlichen eine höhere Macht gibt.

Wortwörtlich gibt es den Satz in der Bibel nicht, aber es gibt Psalmen wie etwa 91,2 oder 40,4 oder 118,8, die dem Motto sehr nahekommen. Zwei Suren im Koran geben ihn wörtlich wider. Die Allgegenwart Gottes wird auf der Ein-Dollar-Note auch noch durch das Auge Gottes dokumentiert, entsprechend Sprüche Salomons 15,3: „Die Augen Gottes schauen an allen Orten beide, die Bösen und die Frommen.“ Und das alles bei doch strikter Trennung von Staat und Religion. Die Pilger, die einst auszogen, ihre und nicht die verordnete Religion auszuüben, wollten es so.

Hinweise aus dem 2. Buch Mose

Gerade haben Millionen Menschen in aller Welt der Inaugurationsrede des neuen Präsidenten Joe Biden gelauscht. Sie kam wie viele dieser Reden seit der Inauguration George Washington nicht ohne Zitate aus der Bibel aus. Biden zitierte aus dem 30. Psalm den 6. Vers: „ … den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude.“ Und er ermunterte das amerikanische Volk „die Seele zu öffnen, statt unsere Herzen zu verhärten“, ein Hinweis auf das 2. Buch Moses, 7. Kapitel, Vers 13 „Also war das Herz Pharaos verstockt, und er hörte sie nicht…“.

Wenn man die Bibel zitiert, sollte man es ehrlich meinen. Wenige hielten Donald Trump für einen religiösen Menschen, er hielt die Bibel bei einem umstrittenen Auftritt sogar falsch herum und zitierte 2016 aus „zwei Korinthern“, wo es „Zweiter Korinther“ hätte heißen müssen, denn es gibt zwei Korinther Briefe.

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Derlei lässt an der Ernsthaftigkeit eines Politikers zweifeln und macht die biblische Referenz unglaubwürdig. Republikaner zitieren die Bibel, so wird vermutet, weil ihre Klientel insgesamt als religiöser gilt, die Demokraten, weil sie andeuten wollen, dass sie doch nicht ganz so gottlos sind wie es ihr Ruf ihrer nahelegt.

In Europa sind biblische Zitate eher ungewöhnlich

Psalmen tauchen bevorzugt in den großen Präsidentenreden auf, wie überhaupt die Hinweise auf die hebräische Bibel die zum Neuen Testament übertreffen. So zitierte John F. Kennedy Jesaja 58, Vers 6: „Lass los, welche du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, welche du beschwerst; gib frei, welche du drängst …“. Der erste katholische Präsident ist übrigens mit fünf Zitaten der Anführer der biblischen Zitationen. Washington bezog sich einst auf Psalm 82, Jefferson auf Exodus, Lincoln auf Genesis, Psalm 19 und Matthäus.

Biden schwor nicht nur mit der Hand auf der 125 Jahre alten Familienbibel, er stand mit seinen Verweisen auf die Bibel in präsidentieller politischer Tradition. Selbst in unseren Zeiten scheint für amerikanische Zuhörer immer noch ein gewisser Wert in Bibelworten zu liegen, eine Art kulturelle Affirmation.

In Europa sind derartige Ausflüge in den biblischen Zitatenschatz eher ungewöhnlich – außer vielleicht der gelegentliche Verweis auf die Bergpredigt. Keine Kanzlerin (auch wenn sie Pastorentochter ist), kein Präsident oder deren Redenschreiber kämen auf die Idee, Worte aus der Bibel so häufig einzusetzen.

„In God we Trust“ steht auf den US-Münzen

Freilich käme auch keine Politikerin auf die Idee eine Fernsehansprache mit den Worten „Gott segne sie, Gott segne Deutschland!“ zu schließen. Die Deutschen sind aus guten Gründen die pathosfreie Zone geworden. Die Franzosen lassen wenigstens Frankreich „Vive la France!“ hochleben.

Das religiöse Fundament Amerikas scheint auch bei zunehmender Säkularisierung zu halten. Ein Land gegründet von Religionsflüchtlingen, deren einziges Buch im Haus oft die Bibel war, die sie (im Gegensatz zu heute) auch noch kannten. In einer Umfrage von 2003 unterstützten denn auch 90 Prozent der Befragten das Motto des Staates wie der Münzen „In God We Trust“.

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