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Kultur: Trotzige Nähe

Barenboim mit Mozart und Joneleit in der Philharmonie

Es ist das perfekte Sandwich: unten Mozart, oben Mozart – und dazwischen, des guten Geschmacks halber, eine Uraufführung für großes Orchester. Natürlich wird die Stulle nicht zu dick geschmiert, die Zeiten ideologischer Fettlebe in der Neuen Musik sind schließlich lange vorbei. Jens Joneleit, 42, der Komponist der nicht wirklich durchschlagenden „Metanoia“-Produktion der Staatsoper im Schiller-Theater, weiß das. Und präsentiert mit „Yesh me Ain“ (hebräisch: „Etwas aus Nichts“) in der Philharmonie eine ebenso opulente und opulent instrumentierte wie leicht zuträgliche und verdauliche Partitur.

Gut 20 Minuten dauert das Stück – der Mozart-Faden, den Daniel Barenboim als Pianist und Dirigent zwischen dem Krönungskonzert zu Beginn und dem großen, tragischen c-Moll Konzert KV 491 am Schluss spinnt, wird davon kaum berührt. Auch brennt sich Joneleits Sprache nur bedingt ins Gedächtnis ein: Das „Nichts“ ereignet sich meist flächig schlängelnd oder schleichend, das „Etwas“ kapriziert sich auf ein paar Klangklumpen am Wegesrand. Alwa aus Bergs Oper „Lulu“ lugt des öfteren zwischen den Notenköpfchen hervor, und ein tristanöser Bratschengesang bestreitet dann, vom Blech, rumms, unterstützt, das Ende. Joneleit liebt Schlüsse, auch das war schon in „Metanoia“ so.

Trotz leichter artikulatorischer Unschärfen spielt die Staatskapelle „Yesh me Ain“ gern. Erst pianistisch aber wird auch für Barenboim dieser Abend groß: Selten hat er den Kontrapunkt im Kopfsatz des Krönungskonzerts (KV 537) so sinnlich herausgemeißelt, und im Larghetto leuchtet sein Anschlag, als würde er Herzkirschen pflücken. Dass die Präzision zwischen Solo und Tutti auch im c-Moll-Konzert bisweilen ein wenig zu wünschen übrig lässt – geschenkt. Barenboim geht es um die Nähe zu Beethoven, nicht nur in den Kadenzen. Eine trotzige Nähe, eine, die schmerzt und etwas kostet und auf alle Konvention heftig pfeift. Ovationen. Christine Lemke-Matwey

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