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Kultur: Trübe Kanäle

Düster: Michael Radfords „Kaufmann von Venedig“

Venedig ist nicht schön. Nicht in Michael Radfords Shakespeare-Verfilmung jedenfalls, in der es nur tintenschwarze Kanäle, dunkle Palazzi, Säulengänge in dichtem Nebel und Prunksäle gibt, deren Decken niederzusinken scheinen. Die Bewohner dieser traurigen Stadt sind reich: Sie tragen schwere Seidengewänder, große Federhüte, Samtcapes, Degen. Und sie sind melancholisch: Antonio, der Kaufmann von Venedig (Jeremy Irons), ist ein Grübler, schmallippig, asketisch, gelegentlich bösartig. Und da gibt es noch die anderen Bewohner Venedigs: Sie tragen rote Hüte, wohnen im Getto, verleihen Geld gegen Zinsen und werden dafür gehasst. Sie sind Juden.

Wenn einer Geld braucht, dann geht er zum reichen Antonio. Hat der auch keins, weil er gerade drei Schiffe ausgerüstet hat, muss man die Dienste Shylocks in Anspruch nehmen, auf den man gestern noch gespuckt hat. Shylock wird Antonio Geld leihen, sogar ohne Zinsen. Er will aber ein Pfund Fleisch aus Antonios Körper, falls der nicht pünktlich zurückzahlt. Die Frist scheint großzügig bemessen, Antonio willigt ein.

Al Pacino spielt Shylock, als hätte er sein ganzes Leben auf diese Rolle gewartet: Der Schauspieler, der ohnehin mühelos jede Szene beherrschen kann, packt mit eindringlichen großen Monologen, in denen es um Gleichheit und Freiheit geht. Aber um ein positiver Held zu sein, lässt er sich zu sehr von seiner Rachgier leiten. Er ist der extrovertierte Gegenentwurf zu Antonio – beide sind in ihrer lebensfeindlichen Obsession fürchterlich.

Heiterkeit und Helligkeit gibt es nur bei den Frauen. Bei Portia und ihrem Hofstaat, die in einem lichtdurchfluteten, von Gärten umgebenen Schloss herumwitzeln und den verfinsterten Männern Auswege zeigen. Warum sie sie allerdings danach auch noch heiraten wollen, ist die Frage.

In sieben Berliner Kinos; OmU im Babylon, OV im Cinestar SonyCenter

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