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Selbstbespiegelung. Der Trump Tower an der Fifth Avenue wurde 1983 eingeweiht. Die unteren Etagen sind öffentlich, jetzt allerdings „Sicherheitsbereich“.

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Trump und der Turm: Das Hochformat

Donald Trump residiert im 58. Stock seines Wolkenkratzers in New York. Den Tower of Power wird er auch als Präsident der USA nicht aufgeben. Über ein Machtzentrum mit Tiefe.

Er ist schwer reich und schwer in Bedrängnis wegen einiger Termingeschäfte, und er findet keinen Schlaf. Mit Sedativa, Hypnotika, Spaziergängen, sogar mit Lesen hat er es schon versucht. „Er stand am Fenster“, heißt es über diesen Bürger New Yorks, „und beobachtete den Anbruch des großen Tages. Die Aussicht reichte über Brücken und Meerengen und Wasserarme hinweg, über Stadtteile und Zahnpastasuburbs, bis zu den Weiten von Landmasse und Himmel, die man nur als tiefe Ferne bezeichnen konnte.“

Eric Packer heißt dieser Mann an einem Fenster seines 48-Zimmer-Appartements, 300 Meter über dem Erdboden. Er ist der Held in Don DeLillos Roman „Cosmopolis“, ein Machtmensch und Finanzmagnat, ein Lenker und Walter, mit Windhunden und Haifischbecken und fasziniert von der Banalität seines Wolkenkratzers, „die sich mit der Zeit als wahrhaft brutal herausstellt“, wie DeLillo schreibt. „Der Turm gab ihm Stärke und Tiefe.“

Etwas ähnliches hat Donald Trump über seinen Turm gesagt. Er stelle nur ein „Requisit“ dar für die „Trump Show“. Er gebe ihm vielleicht keine Tiefe. Aber den Glanz der Bestätigung, dass sich Dinge einfach besser verkauften, wenn Trump auf ihnen prangte.

Offensichtlicher, aggressiver Pomp

Trumps Turm liegt an der Fifth Avenue, der prominentesten Straße New Yorks, er ist 202 Meter hoch, ein Monolith aus Glas, dessen Front seitlich weggefräst erscheint und sich auffächert in eine monumentale Raspel. Mit dem Trump Tower setzte der Immobilienmogul Anfang der achtziger Jahre ein Zeichen. Es gab damals nicht viele Appartementblocks an der Fifth. Trump fand, dass, wo die Upper Class einkaufen ging, sie auch leben müsste. Sein Geschäftsmodell: ein Wohnturm für die neureiche Oberklasse der anbrechenden Reagan-Ära.

Trump stattete seinen Turm mit so offensichtlichem Pomp aus, dass die berühmte Architekturkritikern Ada Louise Huxtable 1984 meinte, „trotz des kostentreibenden Superglitzerns und Puderdosen-Dekors nobler Damen, mangelt es dem Atrium völlig an dem Cosmopolitain-Stil, auf den es sich so aggressiv bezieht“. Ihr Kollege Paul Goldberger attestierte dem Interieur eine irritierende Unruhe, das ganze Arrangement sei „ein bisschen zu nervös, beinahe hyperaktiv“. Trump selbst sagte dem „Playboy“ 1990: „Es ist perfekt, alles glänzt.“

Trump nutzt die obersten drei der 58 Etagen als Penthouse. Blick auf den Central Park. Auf die tiefer gelegenen Stockwerke verteilen sich seine Geschäftsräume. Firmenbüros im 26., Wahlkampfhauptquartier im sechsten, im Foyer verkündete er einst seine Kandidatur, während hinter ihm ein 20 Meter hoher Wasserfall versiegt war.

Der Trump Tower als neuer Westwing?

Seit seinem Wahlsieg steuert Trump von hier aus die Übertragung der Regierungsgeschäfte auf ihn. Seine Frau Melania kündigte bereits an, dass sie und ihr Sohn nicht ins Weiße Haus nach Washington ziehen werden. Der Trump Tower dürfte also noch stärker auf die politische Landkarte Amerikas rücken. Wird er der „neue Westwing“?, fragt der „Guardian“, also das persönliche Machtzentrum des Präsidenten.

Schon jetzt vergeht in Trumps vertikaler Welt kein Tag, da nicht irgendein prominenter Gast ihm die Aufwartung macht. Auch der außenpolitische Berater der Bundeskanzlerin Christoph Heusgen reiht sich heute ein. Die künftigen Regierungsmitglieder waren vor ihrer Nominierung durch die Drehtür ins Innere rotiert und wie in einem Hamsterrad fotografiert worden. Schon beklagen sich New Yorker darüber, dass Trump die exklusivste Einkaufsmeile der Welt in einen Polizeistaat verwandle, weil sie nun Sicherheitsbereich geworden ist.

Das ist die Funktion eines Turms: Menschen spüren zu lassen, was Macht bedeutet.

Als Gebäudetyp ist der Turm von jeher vor allem Herrschaftsinstrument gewesen. In London übernahm er jahrhundertelang die Aufgabe eines Kerkers. Der mythische Leuchtturm von Alexandria lenkte den Seehandel. Einer der frühesten je erbauten Rundtürme findet sich auf Sardinien als Teil einer etwa 3500 Jahre alten Festungsanlage. Auf den Shetland-Inseln sind die Reste eines Aussichtsturms aus der Eisenzeit erhalten geblieben, Broch of Mousa, errichtet, um das Nahen von Feinden übers Meer zu erkennen. In vielen Kulturen galt der Turm als Zufluchtsstätte vor Feinden. Auch als Lagerort wertvoller Ernten. Die altertümlichen Minarette von Jam (62 Meter) oder Qutb (72 Meter) sollten das Wort Allahs möglichst weit in die Landschaft tragen.

Der Wohnturm ist eine neumodische Erscheinung

Der Wohnturm ist dagegen eine relativ neumodische Erscheinung. Im Himmel zu hausen, war Gott vorbehalten. Die biblische Sage vom Turmbau zu Babel und sein Scheitern erzählen von der Furcht, ihm zu nahe zu kommen.

Wie viel Geist ist in Türmen also zu finden? Hölderlin verlor seinen Verstand in einem solchen. Goethe hingegen ließ seinen Wilhelm Meister durch eine ominöse Turmgesellschaft wichtige Botschaften zukommen, die der jedoch zunächst nicht verstand. Alles ziemlich geheimnisvoll. "Ein verborgen wirkender höherer Verstand", hat Schiller die Mächte des Turms genannt.

Das Beste hat noch die Wissenschaft, die Gott aus dem Himmel vertrieb, aus Türmen gemacht. Auf dem schiefen Turm von Pisa soll Galilei die Fallgesetze entdeckt haben, obwohl auch das nur eine Legende ist. Und um Einsteins Relativitätstheorie experimentell zu bestätigen, wurde 1919 auf dem Potsdamer Tafelberg ein Observatorium in Form eines Turms errichtet. Durch Spiegel werden die Sonnenstrahlen an dessen Spitze eingefangen und ins Innere geleitet, um sie in ihre physikalischen Bestandteile zu zerlegen. Der Turm, der das Licht einfängt und bricht – das hat etwas Ultimatives.

Man kann sagen, dass es bei allem, was einen Turm kennzeichnet, bloß um Sichtbarkeit geht. Man baut einen wehrhaften Turm, um entweder die Übersicht zu haben oder um etwas den Blicken zu entziehen. Zuweilen, wie im Bologna des Mittelalters, verbanden sich beide Interessen. Die Stadt sah um das Jahr 1150 wie ein vorzeitliches Manhattan aus mit bis zu 180 fensterlosen Türmen, die von den reichen Patrizierfamilien 30 bis 60 Meter hoch errichtet wurden. Höhe war ein Statussymbol. Gleichzeitig sollten wertvolle Güter im Inneren sicher verwahrt bleiben. Das ist eine Menschheitskonstante geblieben, in beinahe sämtlichen Hochkulturen finden sich imposante Turmbauten.

Die Macht des Turms, verklärt als Verzückung

Die Umkehrung des Einstein’schen Sonnenturms ist Barad-dur, der Sitz des dunklen Herrschers Sauron in „Herr der Ringe“, einer der berühmtesten Türme der Literatur. J. R. R. Tolkien hat nicht viel über dieses geheimnisvolle Bauwerk und seinen Bewohner verraten. Man kennt es als „lidloses Auge“, das wie die Linse eines Leuchtturms über die Landschaft schweift. Als zyklopisches Wesen hat Sauron keinen Sinn für Raum. Nah und fern sind ihm, der immer nur einen Punkt anvisiert, einerlei. Abgelenkt durch eine List seiner Feinde, ist er blind für die Gefahr, die ihm durch den einen Ringträger droht. Tolkien schildert das Ende seiner Terrorherrschaft als Sehverlust: „The magnitude of his own folly was revealed to him in a blinding flash.“ - Das Ausmaß seiner eigenen Torheit wurde ihm in einem gleißenden Blitz offenbar.

Offen für die Öffentlichkeit. Der untere Teil des Trump Tower beherbergt Luxus-Geschäfte. Nun wird er oft abgesperrt, wenn der Hausherr wichtige Gäste empfängt
Offen für die Öffentlichkeit. Der untere Teil des Trump Tower beherbergt Luxus-Geschäfte. Nun wird er oft abgesperrt, wenn der Hausherr wichtige Gäste empfängt

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Auch im Zentrum von Michel Foucaults Standardwerk „Überwachen und Strafen“ steht bekanntlich ein Turm. Dem Philosoph dient das Panoptikum in einem Mustergefängnis als Vorbild, das der große liberale Vordenker Jeremy Bentham entworfen hatte. Von einem erhöhten zentralen Punkt aus sollte das Aufsichtspersonal eine ,sanfte' Rundumkontrolle ausüben. Aus der Dominanz des Blicks leitet Foucault sein Modell der disziplinierenden Macht der Beobachtung ab. „Derjenige“, schreibt er, „welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist, und dies weiß, übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selber aus; er internalisiert das Machtverhältnis, in welchem er gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung.“

Die Folge ist, dass die Beobachteten gar nichts mehr von der Unterdrückung spüren. Im Gegenteil, die Macht des Turms wird verklärt zur Verzückung, was am deutlichsten in der Sprache des Pop zutage tritt. Frank Zappa singt in „Bobby Brown“ vom „Tower of Power“ als Höhepunkt sexueller Perversion. Die Macht als sexuell aufgeladenes, deformiertes Sado-Maso-Spektakel.

Das Haus hat die Herrschaft übernommen

Um sein Hochhaus überhaupt zu einem „Tower“ emporwachsen lassen zu können, musste Trump als erstes die Hoheitsrechte des Nachbargebäudes brechen. Denn er wollte höher bauen als an dem Ort üblich. Das Bonwit Teller Building, das 1930 an der Stelle hochgezogen worden war, maß zwölf Stockwerke. Um es durch einen mehr als fünf mal so hohen Komplex ersetzen zu können, umging Trump in einem trickreichen Prozess die „Luftrechte“ von Tiffany’s nebenan. Weitere 20 Etagen stockte er auf mithilfe eines Zusatzartikels im New Yorker Baurecht, der es privaten Investoren erlaubt, Höhe durch öffentlichen Raum einzutauschen. Indem Trump 15.000 Quadratmeter im Sockel seines Turms der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, durfte er, was er unten verlor, oben drauf setzen. "'Cause I am smart", pflegt Trump zu sagen.

Aber 58 Etagen genügten ihm nicht. Einer viel zitierten Anekdote zufolge drängte der Turmherr seinen Architekten, die Zahl vor der Presse auf 68 Etagen zu frisieren („the old Trump Bullshit“), worauf der Mann meinte: „Ich lüge nicht, Donald.“

Als Trump 1983 sein Wunderwerk an der Fifth Avenue fertigstellte, veröffentlichte der linke Gesellschaftstheoretiker Fredric Jameson einen richtungsweisenden Essay über die Postmoderne. Er suchte darin die „Logik des Spätkapitalismus“ auch in der Architektur zu entschlüsseln. Obwohl sich seine Analyse auf ein Hotel in Los Angeles bezog, lässt sich die „an Las Vegas geschulte“ Architektursprache auch im Trump Tower wiederfinden. Etwa darin, dass der Turm eine Attraktion darstellt, eine „populistische Geste im städtischen Gefüge“. Sie behauptet, eine in sich geschlossene Welt zu sein, „die nicht Teil der Stadt außerhalb sein will, sondern ihr Gegenpol“.

So ist der Privateingang an der 56. Straße so dunkel und lichtlos gehalten, als wäre man vom Rest der Welt isoliert. Die verspiegelte Glashaut lässt den riesigen Baukörper verschwinden, weil die Stadt in die Fassade springt und man statt des Gebäudes die fragmentierten Bilder all dessen sieht, was es umgibt. Das Innenleben ist labyrinthisch, die Raumordnung, in der sich ein Mensch alleine zurechtfinden und in seinem Tempo bewegen könnte, aufgehoben. Fahrstühle und vor allem Rolltreppen verwandeln den Baukörper in eine „Transportmaschinerie“, so Jameson, in der Menschen die Aufgabe übernehmen, sich bewegen zu lassen. Das Haus hat die Herrschaft übernommen.

Das Super-Ego des Spielers fühlt sich durch Spiegelflächen legitimiert

Der Trump Tower ist ein Erfolgsmodell. Er hat prominente Bewohner. Bruce Willis, Christiano Ronaldo, Andrew Lloyd Webber. Sogar Michael Jackson lebte in der Zeit dort, da er mit Lisa Marie Presley liiert war. „Es ist eine Tatsache, dass meine Gebäude gefeiert werden und dauerhafte Macht besitzen“, schrieb Trump 2014 in einer Zeitungskolumne und meinte damit einen zweiten Trump-Turm in New York (broncefarben) und in Chicago einen dritten (beinahe doppelt so hohen). Der war Schauplatz einer Kampfszene im dritten „Transformers“-Teil, weil der Dandy-Schurke Dylan Gould von seinem Appartement aus die Übernahme der Stadt durch die Decepticon-Maschinen managte. Die Menschen waren dem Sportwagensammler egal.

Ob man das auch über den Turmbewohner Trump sagen kann, der in allem ein Geschäft sieht?

Er werde der erste Präsidentschaftsbewerber sein, der mit seiner Kandidatur Geld verdiene, hatte Trump angekündigt. Tatsächlich hat er für seinen Wahlkampf etliche Leistungen bei sich selbst eingekauft. „Ein großer Teil von Trumps Kampagnengeldern“, schreibt sein Biograf David Cay Johnston, sei dafür verwendet worden, „Trump für die Nutzung seiner Boeing 727, seines kleineren Jets, seines Hubschraubers, seiner Büroräumlichkeiten im Trump Tower sowie für andere Dienstleistungen zu bezahlen, die von Trumps eigenen Unternehmen erbracht wurden.“ Und zwar dank amerikanischer Antikorruptionsgesetze, die verhindern sollen, dass Unternehmen sich Politikern zu Vorzugspreisen andienen. Das sorgte nun dafür, dass Trump seine Dienste an sich selbst zum vollen Marktpreis abrechnen musste. Etwa die Nutzung des Fernsehstudios, sechster Stock, in dem zuvor Trumps Castingshow „The Apprentice“ entstanden war, weil er sich von NBC ausbedungen hatte, für die TV-Show nicht irgendwo anders hin zu müssen. Es sei sein Geschick, sagt Johnston, seine Deals immer irgendwie mit seinem Turm in Verbindung zu bringen.

Appetit nach Selbst-Bespiegelung

Wie es sich in dieser enthobenen Welt lebt, darauf hat Don DeLillos „Cosmopolis“ ein Jahr nach dem Einsturz des World Trade Centers eine paranoide Antwort gegeben: Der Börsenmakler Eric Packer steigt von seinem Himmelreich herab, um zum Friseur zu fahren, seine Geschäfte – komplizierte, am Ende ruinöse Spekulationen – wickelt er in einer Stretchlimousine ab. Dabei greift DeLillo das postmoderne Credo Jamesons auf. Er lässt seinen Helden denken, dass er und der Turm mit seiner verspiegelten Außenhaut etwas gemeinsam haben, nämlich „die Oberfläche und die Umgebung, die an beiden Seiten in Berührung mit der Oberfläche kam“. Was auf pure Entgrenzung hinausläuft. Das Super-Ego des Spielers fühlt sich durch Spiegelflächen legitimiert, Ordnungen und Regeln zu ignorieren. Aber DeLillo belässt es nicht bei diesem Bild, als er trocken hinzufügt: „Unter der Dusche hatte er sich einmal Gedanken über Oberflächen gemacht.“

Trumps Hang zu chromglänzenden, polierten Oberflächen ist legendär. In den Gängen seiner Büroräume hängen überall gerahmte Magazin-Titel mit seinem Konterfei. Als würde sein „enormer Appetit nach Selbst-Bespiegelung", so der „New Yorker“, "ihn davor bewahren, über sich selbst nachdenken zu müssen“.

Man kann vieles von Türmen sagen, aber Orte der Kontemplation sind sie offenkundig nicht.

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