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Ein Bild von einem Anti-Trump Protest in Bristol, Großbritannien.

© dpa

Trump und Ich (3): Die Mexikaner werden für diese Protestschilder bezahlen

Amerika unter Donald Trump? In loser Folge berichtet unsere New Yorker Autorin aus dem Alltag mit dem neuen Präsidenten. Diesmal über die neue Protestkultur - und ihre absurden Blüten.

Keiner arbeitet mehr. Protestantische Ethik, amerikanischer Fleiß: alles Vergangenheit, in der Ära von Trump so veraltet wie die Postkutsche oder die Nato. Ich meine jetzt nicht den Verlust von Arbeitsplätzen in den letzten 40 Jahren, der die Amerikaner so erbost hat, dass sie Trump zum Präsidenten machten. 75 Monate gab es hier ja ein kontinuierliches Job-Wachstum, das längste in Folge seit 1939. Nein, ich meine, dass die Leute, die Jobs haben, jetzt gar nicht mehr zum Arbeiten kommen. Seit Trumps Vereidigung sind wir viel zu beschäftigt.

Anfang der Woche mussten wir erstmal die vielen Fotos von den Protestmärschen herumschicken. Als ich am Dienstag ins Büro kam und Amy Guten Morgen sagen wollte, hatte sie immer noch keine Zeit. Sie verschickte gerade Protestfotos aus Saigon, ich glaube an Ernest. Ernest arbeitet im Büro nebenan. Ernest hatte keine Zeit rüberzukommen, denn er mailte Protestfotos aus Madison, Wisconsin, an Cathy in Waco, Texas, und an Loretta, die wieder im nächsten Büro sitzt. Loretta wiederum hatte keine Zeit, zu Ernest rüberzukommen, weil sie für unsere Verträge zuständig ist. Mein Vertrag für 2017 ist in der Rubrik „Faculty Load and Compensation“ falsch ausgefüllt. Keine Ahnung, was das bedeutet, es hat nur zur Folge, dass in der Rubrik „Bezahlung“ eine niedrigere Summe steht als 2016.

Zu beschäftigt mit Instagram, um zu arbeiten

Aufstieg, besserer Verdienst, es sind solche Sachen, weshalb viele Leute Trump gewählt haben. Ich dachte eigentlich, dass meine fortschrittliche Universität auf so etwas achtet. Aber Loretta konnte sich nicht darum kümmern, weil sie damit beschäftigt war, Instagram zu aktualisieren – wegen der Fotos von Anti-Trump-Protestschildern wie „Tut uns leid, liebe Welt. Wir reparieren das wieder.“ Oder „Ich kenn mich aus mit Protestschildern. Ich mache die besten Protestschilder. They’re gonna be great. Die Mexikaner werden für diese Protestschilder bezahlen.“ Ich beschloss, es am nächsten Tag wieder zu versuchen.

Am Mittwoch waren Amy, Ernest, Loretta und jetzt auch der Kollege James gerade dabei, Aufrufe zu versenden. Jeder Amerikaner sollte eine Postkarte an Trump schicken, er möge bitte Obamacare beibehalten. Jonathan hatte den Vorschlag an Angelica gemailt, die wiederum Peter informierte, der das wiederum an alle Leute in seiner Adressenliste weitergab, darunter auch an James. Die Idee war, Trump mit Millionen von Postkarten zu bombardieren. Margie wiederum versandte zwei Aktionsaufrufe zum Klimawandel und zu Stipendien für minderbemittelte Studenten. Margie hatte deshalb David kontaktiert und der wiederum Beverley und die wiederum Amy. Und so weiter. Die Kette wurde endlos. Eine gewisse Jennifer unterhält einen eigenen Blog für Anti-Trump-Aktivitäten: http://jenniferhofmann.com/home/weekly-action-checklist-democrats-independents-republicans-conscience/.

Es war dann Barbara, die mein komplettes Institut über Warren Buffetts Ideen informierte. Unter anderem empfiehlt der Mäzen und Großinvestor, dass die Kongressabgeordneten bitte dasselbe Krankenversicherungssystem bekommen sollen wie der Rest von uns und nicht mehr ihr spezielles. In meinem Arbeitsvertrag steht unter Bezahlung immer noch die falsche Summe. Ich verstehe jetzt, wie Donald Trump für neue Arbeitsplätze sorgt. Er gibt seinen Wählern unsere Jobs, denn wir haben vor lauter Protest keine Zeit mehr dafür.

Marcia Pally unterrichtet Multilingual Multicultural Studies an der New York University. Bisher erschienen: „Wie man Trump bei Tisch vermeidet“ (13. Januar), „Da hilft nur noch beten“ (20. Januar). Übersetzung: Christiane Peitz

Marcia Pally

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