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Jiri Fajt (l), damals Direktor der Nationalgalerie, mit dem chinesischen Künstler Ai Weiwei 2017 bei der Eröffnung der Ausstellung "Law of the Journey".

© dpa/Michael Heitmann

Tschechiens Kulturszene unter Druck: Prag: Proteste gegen Entlassung von Nationalgalerie-Chef

Der Chef der Nationalgalerie Prag, Jiri Fajt, wurde offenbar aus politischen Gründen entlassen. Überall in der Welt protestieren Museumschefs. Und der Rücktritt des Kulturministers wird gefordert.

Die plötzliche Entlassung des Direktors der Prager Nationalgalerie, Jiri Fajt, kurz vor Ostern stößt inzwischen im In- und Ausland auf Proteste. Namhafte Museumschefs wie die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, kritisieren die offenbar aus politischen Gründen erfolgte Abberufung des renommierten Museumsmanns. Auch die Chefin der Tate Britatin in London, Maria Balshaw, sowie die Direktoren des New Yorker Metropolitan Museum und des Pariser Centre Pompidou haben eine entsprechende Petition unterzeichnet.

Zudem wurde in Prag demonstriert und eine Petition fordert den Rücktritt von Kulturminister Antonin Stanek. In wenigen Tagen wurde sie von mehr als 5000 Personen unterschrieben und an den für seine populistische Politik berüchtigten Premierminister Andrej Babiš sowie den Chef der Sozialdemokraten Jan Hamácek geschickt. Die Abberufung erinnere an die Praktiken in der Zeit vor 1989, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem von dem Fotografen Josef Koudelka, der Architektin Eva Jiricná, dem Regisseur Jan Hrebejk und dem ehemaligen Außenminister Karel Schwarzenberg unterzeichnet wurde. Die tschechische Schriftstellerin Radla Denemarková befürchtet im Interview mit der „Süddeutschen“ weitere Entlassungen im kulturellen Sektor: „Wir verlieren die Demokratie Zentimeter für Zentimeter“.

Der Hintergrund: Kulturminister Antonin Stanek warf Fajt und ebenso dem Leiter des Museums der Kunst in Olmütz/Olomouc, Michal Soukup, schlechte Haushaltsführung vor; gegen Fajt wurde Strafanzeige erstattet. Fajt, der die Besucherzahlen in der Nationalgalerie deutlich erhöhen konnte und Künstler wie Gerhard Richter und Ai Weiwei dort präsentierte, bestreitet die Vorwürfe und erklärt sich seine Kaltstellung mit Druck von ganz oben. Fajt hat aus seiner kritischen Haltung gegenüber Präsident Milos Zeman nie einen Hehl gemacht, etwa zu dessen „ pragmatischer Gläubigkeit einem sogenannten Partner China gegenüber, seinem offenkundigen Anti-Islamismus, nicht zuletzt auch seiner doppelbödigen Kritik an der EU“. Bis heute verweigert Zeman seine Unterschrift unter Fajts Ernennung zum Professor der Prager Karl-Universität.

Mehrere Ausstellungsprojekte sind bedroht

Die Dresdner Generaldirektorin Marion Ackermann ist schockiert über die Entlassung des 59-Jährigen. Sie bedeute einen richtigen Bruch. Fajt habe die Modernisierung des Museums vorangebracht, indem er internationale Gegenwartskunst sichtbarer gemacht und sie zugleich mit jungen tschechischen Positionen verwoben habe, sagte sie. Sie habe eng mit ihm zusammengearbeitet, um die Nachbarschaft der beiden Städte Dresden und Prag zu nutzen. Im Deutschlandfunk erklärte Ackermann, Fajt sei es gelungen, „durch seine Grand Openings, bei der immer tausende von jungen Menschen kamen,“ die Kunst sehr populär zu machen.

Jetzt stehen mehrere Ausstellungsprojekte auf der Kippe, etwa die Sammlung des Maharadschas von Jodhpur oder Höhepunkte islamische Kunst aus der Sammlung Al-Sabah in Kuwait. Interimschef kein Kunstexperte, sondern ein Finanzmann, Ivan Moravek, der als Manager einer Großbäckerei und im Straßenbauamt gearbeitet hat.

Im SZ-Interview macht die Autorin Radka Denemarková, die kürzlich auch auf der Leipziger Buchmesse zu Gast war, darauf aufmerksam, dass die Kultur - ähnlich wie in Ungarn oder Polen - zunehmend unter Druck gerät. So wurden die Subventionen für unabhängige Literaturzeitschriften gestrichen, politischer Druck auf die Jury für den Literatur-Staatspreis ausgeübt (weshalb die Jury den Preis 2018 nicht vergab) oder der politisch offenbar ebenfalls missliebige Leiter des Tschechischen Zentrums in Paris, Jean-Gaspard Pálenícek abgesetzt. „Wir leben in einem tragischen Land“, so Denemarková, „in dem sich die Menschen nach Vergessen sehnen, und in ihrer Sehnsucht von der zeitgenössischen kommerziellen Kunst unterstützt werden.“

Jiri Fajt ist derzeit am Leipziger Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa tätig wie auch als Privatdozent in Berlin. (mit dpa)

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