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Kultur: Tüllrocker

MEXartes präsentiert Guillermo Gómez-Peña

Im Sternfoyer der Volksbühne hängen kopfüber drei Plastikgockel von der Decke. Auch ein Skelett, darunter zwei Videoscreens. Auf einer kleinen Bühne spreizt sich zur HipHop-Version von Guantanamera ein mit hornförmigem Lendenschurz und schwarzer Augenbinde notdürftig maskierter Krieger, der ein authentischer Aztekentänzer sein soll. Auf einer zweiten Bühne räkelt sich eine Schönheit mit riesigem Sombrero an einem Holzkreuz. Und auf einer dritten harrt ein Kuriositätenkabinett aus Rollstuhl, Megafon, Indianerschmuck und Boxhandschuhen eines Trash-Indianers, der mit Sonnenbrille, Eishockeypolstern, Brustschmuck und einem rosa Tüllröckchen durch künstlichen Nebel stapft. Was folgt, ist nicht weniger irritierend: ein Fächertanz, Spülmitteltrinken und eine Lippenselbstbeschneidung. Noch bevor man flüchten kann, werden Zuschauer in die Rituale eingebunden. „Passiver Voyeurismus untersagt", warnen derweil die Bildschirme: „Achten Sie auf Ihre Projektionen!"

Der Performer Guillermo Gómez-Peña nennt sein Volksbühnen-Projekt „Mexótica 2002: A Living Museum of Inter-Cultural Fetishes", einen interkulturellen Poltergeist, der das globale Medienphänomen der Exotisierung mexikanischer Kultur auf die Spitze treibt. Politisch korrekt ist das nicht und will es auch nicht sein. Die Performance degradiert Zuschauer wie Darsteller, genannt „Ethno-Cyborgs", zu romantisierten, erotisierten oder dämonisierten Projektionsfiguren einer Identität, die „mexikanischer“ ist, als es Mexiko je sein könnte. Der Versuch, die Festlegungsmechanismen von globaler Presse, Tourismus und Popkultur zu unterlaufen und stattdessen die Subkulturen ins Zentrum zu rücken, wird jedoch zur Karrikatur, wenn drei Meter weiter Tapas mit Salsa und Guacamole, Corona und Tequila alle Mexikoklischees wieder auftischen. Stefanie Müller-Frank

Stefanie Müller-Frank

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