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Kultur: Tunnel-Inferno: Ende der Routine

"Eigentlich ist eine Standseilbahn die sicherste Seilbahn - sie kann nicht abstürzen", sagt Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes der Seilbahnen Österreichs. Doch nach der Katastrophe von Kaprun lobt niemand mehr deren Sicherheit, sondern man fragt nur noch nach den Gefahren.

"Eigentlich ist eine Standseilbahn die sicherste Seilbahn - sie kann nicht abstürzen", sagt Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes der Seilbahnen Österreichs. Doch nach der Katastrophe von Kaprun lobt niemand mehr deren Sicherheit, sondern man fragt nur noch nach den Gefahren. Wolf versucht, mit den strengen Sicherheitsauflagen zu beruhigen: "Einmal jährlich werden die Bahnen einer Hauptuntersuchung unterzogen, hinzu kommen monatliche, wöchentliche und sogar tägliche Kontrollen bestimmter Bauteile." Dafür sind die Betreiber verantwortlich. Das Wiener Verkehrsministerium prüfe regelmäßig die Kontrollbücher - "im Rahmen seiner Möglichkeiten", so Wolf. "Es wäre unseriös, jetzt schon abzuschätzen, ob mehr Kontrollen das Unglück hätten verhindern können." Man werde die Gutachten zur Unfallursache erst abwarten, bevor man über Konsequenzen nachdenken könne.

Standseilbahnen sind in allen alpinen Wintersportgebieten von Frankreich bis Italien verbreitet. In Österreich werden derzeit 23 Anlagen betrieben, nur zwei sind jedoch mit der Unglücksbahn vergleichbar, weil auch sie größere Strecken unter Tage zurücklegen. Eine davon ist der "Mölltal-Express" in Kärnten, der sich auf 4,8 Kilometern durch den Fels zum Mölltaler Gletscher emporzieht. "Unsere Anlage hat einen höheren Sicherheitsstandard, als die von Kaprun", sagt der Betriebsleiter Adolf Gugganig. Die Seilbahn ist erst vor drei Jahren eröffnet worden und hat als wesentliche Neuerung zwei Schotts im Tunnel, die im Brandfall geschlossen werden können und den gefährlichen Kamineffekt verhindern. "Einmal jährlich gibt es eine großangelegte Brandübung", sagt Gugganig. Wie im Kapruner Tunnel sind Flucht- und Bergetreppen neben den Gleisen vorhanden. Einen Not-Ausstieg aus der Röhre gebe es nicht, so Gugganig.

In der Schweiz ist die Zahl von Standseilbahnen noch größer: 59. Seit drei Jahren sitzt Monika Betschart im Führerstand der Bahn Schlattli-Stoos in der Zentralschweiz, der "steilsten Standseilbahn Europas", so die Eigenwerbung. Auf 1300 Metern - darin zwei Tunnel - überwindet sie einen Höhenunterschied von 700 Metern. Nur einmal habe sie einen Nothalt auslösen müssen, erzählt Betschart. Steine waren auf die Gleise gerollt. "Der Wagen stand sofort, wackelte nur etwas hin und her." Wenn das Seil reißen würde, krallen sich automatisch Bremsen am Gleis fest. Alle zweieinhalb Monate werde die Bahn überprüft und die Ergebnisse an das Bundesamt für Verkehr in Bern gemeldet.

Trotzdem sind die Bahnangestellten auch in der Schweiz durch das Unglück in Kaprun besorgt. Christoph Näpflin, Betriebsleiter der Treib-Seelisberg-Bahn, ist jetzt noch vorsichtiger. "Was früher Routine war, wird jetzt mit mehr Aufmerksamkeit erledigt." Gestern tobte sich ein Fönsturm in Seelisberg aus. Aus Vorsicht stellte Näpflin einen zusätzlichen Bediensteten für das normalerwiese unbesetzte Kontrollzentrum ab.

In Deutschland gibt es etwa 20 Standseilbahnen, darunter einige im städtischen Nahverkehr, wie zum Beispiel in Dresden. Zur Zugspitze fährt in einem Tunnel eine Zahnradbahn hinauf. Deren Technik unterscheidet sich von den Standseilbahnen. Statt sich in ein Seil einzuklinken, greifen ihre Antriebsräder in eine Zahnstange. Die Strecke verlaufe nicht so steil wie in Kaprun, sagte Peter Hirt, der Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn. Im Tunnel seien durch Brandschutztüren gesicherte Notfallräume vorhanden, die von außen zugänglich seien. Auch hier verhindern Schleusen, dass bei einem Brand der verheerende Kamineffekt wie bei Kaprun entstehen kann.

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