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Kultur: Über die letzte Hürde

Damit alles bleibt, wie es ist, muss es sich ändern, versprachen die Regierung Schröder und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Sachen Buchpreisbindung. Die Europäische Kommission hatte nämlich nicht akzeptiert, dass feste Buchpreise auch im grenzüberschreitenden Handel mit dem EU-Mitglied Österreich gelten.

Damit alles bleibt, wie es ist, muss es sich ändern, versprachen die Regierung Schröder und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Sachen Buchpreisbindung. Die Europäische Kommission hatte nämlich nicht akzeptiert, dass feste Buchpreise auch im grenzüberschreitenden Handel mit dem EU-Mitglied Österreich gelten. Also sollte die bewährte brancheninterne Regelung, die ein breites Buchangebot und die landesweite Versorgung mit Buchhandlungen sichert, wie andernorts in Europa Gesetz werden. Ein Spaziergang, so schien es. Es wurde eine Gratwanderung, die am heutigen Freitag im Bundestag ein glückliches Ende findet.

Beim Umtopfen brachen nämlich all die sorgsam austarierten Interessen im Börsenverein auf. Zudem nahmen sich Wirtschafts- und Innenpolitiker der für sie ziemlich sonderbaren Angelegenheit gebundener Preise an, und Spitzenmanager von Random House (früher Bertelsmann) und dessen Buchgemeinschaft sollen den Kanzler besucht haben. Danach verabschiedete das Kabinett einen Gesetzentwurf, dessen Text sich deutlich von jenem der Anhörungen unterschied. Mit Ausnahme der Buchgemeinschaften maulte die Branche, und die Politiker gelobten reuig Nachbesserung.

Nach mehrmaliger Verschiebung änderte der Kulturausschuss am Mittwoch einstimmig das Gesetz in mehreren Punkten, so dass nun der gegenwärtige Stand festgeschrieben wird. Vom Tisch ist das Ende der Preisbindung zwei Jahre nach Erscheinen des Buches, was das Ende für so genannte „Longseller“ bedeutet und zu einer beschleunigten Umschlagsgeschwindigkeit geführt hätte. Erhalten bleibt die zwischen Wirtschafts- und Kulturpolitikern umstrittene mittelstandsfreundliche Regelung, nach der Verlage engagierten Buchhändlern bessere Konditionen als den Großhändlern einräumen dürfen. Preisnachlässe sind bei Sammelstellungen für den Schulunterricht möglich, ebenso günstige Parallelausgaben von preisgebundenen Titeln etwa in Buchclubs, „wenn dies sachlich gerechtfertigt ist".

Packenden Anschauungsunterricht in dieser ökonomisch brisanten Frage lieferte der Streit um den neuen Roman von John Grisham. „Die Farm“ ist derzeit nicht im Buchhandel zu erhalten, sondern nur im Bertelsmann Club. Dessen Mitglieder mussten bisher für den Preisvorteil eine periodische Kaufverpflichtung, eine andere Buchausstattung und etwa ein halbes Jahr Warten akzeptieren. Nun dürfen sie als erste und einzige kaufen. Es war nicht der erste, aber der wohl umsatzträchtigste Verstoß gegen Branchenusancen, und so kündigten die beiden größten Buchhandelsketten Thalia und Hugendubel sowie die siebtgrößte Mayersche Buchhandlung einen Boykott des Grisham-Verlages Heyne an. Kleinlaut versprach daraufhin Ullstein Heyne List, keine weiteren Lizenzen an den Club zu vergeben.

Der Fall Grisham hätte nach den Formulierungen im Gesetzentwurf Normalität werden können. Zwar enthielt er auch die drei Unterscheidungskriterien für Parallelausgaben, auf die sich die Buchbranche 1995 geeinigt hatte. Doch aus aufzählenden „und“ waren „oder“ geworden: Mitgliedschaft oder Ausstattungsunterschiede oder Zeitabstand sollten nun jeweils für sich einen günstigeren Preis rechtfertigen. Das hätte die Praxis von Weltbild sanktioniert, einer Tochter des Holtzbrinck-Konzerns, zu der auch der Tagesspiegel gehört. Der schärfste Konkurrent von Random House bietet als „Reader“ schon jetzt jedermann verbilligte Titel in einer besonderen Ausstattung an. Im Buchhandel aber, dessen Schutz das erklärte Ziel des Preisbindungsgesetzes ist, erregten diese Aussichten Angst und Schrecken.

Der Börsenverein erreichte in Gesprächen mit seinem Mitglied Random House nur, dass in der Gesetzesbegründung auf die bisherige Praxis hingewiesen werden sollte. Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels sieht voraus, dass letztlich die Gerichte die Entscheidung zu treffen haben. Der Gesetzgeber gibt dem Buchhandel freie Hand. Die Verlage vergeben die Lizenzen, und sie benötigen die Einnahmen, nicht zuletzt wegen der schweren Umsatzeinbrüche. Aber die Verlage müssen wissen, was sie wollen: den gebundenen Ladenpreis und das gewachsene, weltweit einmalige Buchhandelssystem oder den Preis-Wettbewerb durch die Parallelausgaben. Jörg Plath

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