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Kultur: Überflieger

Die erfolgreiche Berliner Produzentengalerie Amerika löst sich auf

So viel ist sicher: Am 6. Oktober endet die Ära Amerika. Wie es weitergeht, will Sebastian Klemm, der Leiter der Berliner Produzentengalerie mit dem prägnanten transatlantischen Namen, noch nicht verraten. Ja, er werde am gleichen Ort, aber unter anderem Namen eine klassische Galerie betreiben, zumindest diese Information lässt sich der 30-Jährige entwinden. Doch welche Künstler er vertreten wird, sagt Klemm partout nicht: Schließlich will er seinen momentanen Job als Produzentengalerist noch bis zum Ende zur Zufriedenheit der bislang von ihm vertretenen Künstler erledigen. Außerdem stehen mit der aktuellen Ausstellung und anschließend mit Michael Schäfer noch „zwei wichtige Shows“ ins Haus und, als krönender Abschluss, die erste Teilnahme am Art Forum Ende September.

Die Einladung zur renommierten Berliner Kunstmesse, um die so viele Galerien buhlen, ist für das junge Unternehmen ein Ritterschlag. Seit März 2005 gibt es Amerika, und genauso lange arbeitet Klemm gemeinsam mit Silvia Kaske (30) als Repräsentant für Künstler, die sich – anders als in einer klassischen Galerie – ihren Galeristen selbst ausgesucht haben.

Das Modell der Produzentengalerie, nach dem sich Amerika damals organisierte, war schon damals keine Neuerfindung, sondern ist vielfach erprobt. Von Künstlern, die sich auf eigene Rechnung zusammenschließen und gemeinsam einen Raum für Ausstellungen organisieren. Die dann lieber Kunst produzieren und deshalb wenig Zeit und Energie in klassische Galeristentätigkeiten wie den Kontakt zu Sammlern und Museen investieren können. Also engagieren sie jemanden, der diese Aufgaben erledigt.

Im Fall von Amerika suchten rund 20 Künstlerinnen und Künstler – die meisten Absolventen der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst – einen Vertreter, der für die Präsentation und den Verkauf ihrer Werke verantwortlich sein sollte. Die Wahl fiel auf Klemm, der Politik und Volkswirtschaftslehre studiert hatte und ein Praktikum in der Galerie Eigen und Art vorweisen konnte.

Diese Entscheidung erwies sich in der Rückschau als goldrichtig: Mit welcher Ausdauer und Genauigkeit Klemm und Kaske zweieinhalb Jahre lang die ihnen übertragene Aufgabe durchzogen, beeindruckte viele Beobachter der Galerienmeile auf der Brunnenstraße. Zunächst im Monatsrhythmus, später im Fünf-Wochen-Turnus realisierten sie ansprechende Doppel- und Einzelpräsentationen und machten sich einen Namen über die Berliner Kunstszene hinaus.

Doch Professionalität im Umgang gerade mit jungen Künstlern ist bitter nötig. Oft ist die Zeit unmittelbar nach dem Kunststudium von Unsicherheit begleitet, hat Klemm beobachtet und spricht von einem „Scharnierzeitraum“, in dem die Künstler die Hochschule verlassen haben und noch nicht im schwer durchschaubaren Kunstsystem angekommen seien. Auch für Klemm, der sich das Galeristenhandwerk „learning by doing“ aneignete, wird das Projekt Amerika als einzigartige Lehrzeit in Erinnerung bleiben: „Künstler und Galerist begegnen sich in einer Produzentengalerie auf Augenhöhe, das ist was anderes als in der klassischen Künstler-Galeristen-Rollenverteilung.“

Mit seinem legendären Produzentengalerie-Vorgänger Christian Ehrentraut möchte er nicht verglichen werden. Dessen Liga-Galerie vertrat bis 2004 unter anderem die Leipziger Maler Tilo Baumgärtel, Tim Eitel, David Schnell oder Matthias Weischer und etablierte sie erfolgreich am Kunstmarkt. „Es ist ja kein Geheimnis, dass die von uns vertretene Fotografie einem nicht sofort aus den Händen gerissen wird“, meint Klemm. Solchen Sätzen wohnt viel Understatement inne, muss Klemm sich und seine Erfolge wahrlich nicht verstecken. So kann er mit der Installationskünstlerin Peggy Buth eine Teilnehmerin der großen Hannoveraner Überblicksschau „Made in Germany“ vorweisen. Auch der Bildhauer Alexej Meschtschanow mit seinen verrückten Möbelskulpturen, die serielle Fotokünstlerin Viktoria Binschtok oder der Konzeptfotograf Sven Johne dürften dank Amerika nun auf so manchem Kuratoren- und Sammler-Merkzettel zu finden sein. Kito Nedo

Amerika, Brunnenstraße 7; bis 25. August, Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr.

Kito Nedo

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