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Kultur: Überraschung!

Deutscher Buchpreis für Katharina Hacker

Mit Katharina Hackers Roman „Die Habenichtse“ hatte kaum jemand gerechnet. Als Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder am Montagabend die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2006 bekannt gibt, braucht das Auditorium im Kaisersaal des Frankfurter Römers einen Moment, um die Überraschung zu verarbeiten.

Viele hatten Hackers fünfköpfige männliche Konkurrenz als stärker eingeschätzt, zumal ihr im Frühjahr veröffentlichter Roman über das leerlaufende Leben zweier erfolgreicher Mittdreißiger vor dem Hintergrund von 9/11 und dem Irak-Krieg wenig Aufsehen erregt hatte. Die Jury hat mit ihrem Votum aber immerhin die zweitmutigste Entscheidung getroffen. Noch mutiger wäre es gewesen, den jungen Debütanten Sasa Stanisic für „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ auszuzeichnen, einen tollen, fabuliersüchtigen Roman über eine Kindheit im Jugoslawienkrieg. So oder so demonstrierte sie, dass sie den zum zweiten Mal verliehenen Buchpreis (dotiert mit 25 000 Euro) für stark genug hält, um Außenseitertitel wie „Die Habenichtse“ am Markt durchzusetzen. Denn das ist erklärtes Ziel der Preisstifter, ein Ziel, das die Jury etwas aus den Augen verloren zu haben schien, als sie für die Shortlist mehrere etablierte Autoren und Bücher nominierte: Ilija Trojanows im Frühjahr mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Roman „Der Weltensammler“, Ingo Schulzes Wendeepos „Neue Leben“, das auf der Buchmesse 2005 für Furore sorgte, oder Martin Walser, der noch mit jedem Roman zu Bestsellerehren kommt, so auch mit „Angstblüte“.

So korrekt-gewagt die Entscheidung für Hacker, so merkwürdig geziert die Verleihung. Honnefelder spricht von der Qual der Wahl, die man ja gleichfalls habe, wenn man sich vier, fünf neue Bücher kauft: Welches liest man zuerst? Hacker preist, anstatt sich bei wem auch immer zu bedanken (Eltern, Ehemann, Lektor, Verlag), die Bücher ihrer Konkurrenten und empfiehlt noch ein anderes zur unbedingten Lektüre, „Älterwerden“ von Silvia Bovenschen. Und Moderator Gert Scobel setzt der Geziertheit die Krone auf, als er den anwesenden Verlagsmenschen vorschlägt, doch eine Buchkassette mit den Titeln der Longlist oder zumindest der Shortlist zu veröffentlichen.

Es hat etwas Verdruckstes, wenn man sich bei den Verlierern entschuldigt – und so gar nichts von Oscar-Verleihung, die Honnefelder, wie üblich bei deutschen Preisverleihungen, einmal mehr beschwört. Da ist es dann wiederum sympathisch, dass sich der angeblich mit drei zu vier Jurystimmen knapp geschlagene Thomas Hettche mächtig ärgert, wie es heißt, und dass Ingo Schulze beim anschließenden Empfang nicht mehr zu sehen ist.

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