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Kultur: Umwerfend

Tugan Sokhiev bei den Berliner Philharmonikern.

Wunschkandidat und designierter Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters – was für eine verheißungsvolle Position! Der Ossete Tugan Sokhiev hat seine Visitenkarte in Berlin längst abgegeben und steht zum zweiten Mal am Pult der Anderen, der Philharmoniker. Was dirigiert er am liebsten? Rachmaninow. Er macht die Symphonischen Tänze Opus 45 zu seinem Hauptanliegen, Fin de siècle russisch, Salon, Becken, Glocken, überladener Stil, Lärm. Man weiß, dass Sokhiev umwerfend dirigiert. Ebenso widmet er sich mit eleganter Technik und präzisen Effekten der zweiten „Bacchus“-Suite von Roussel. Dennoch fällt es schwer, in den pompösen Steigerungen eine Handschrift zu erkennen. Sein Akzent auf der französischen, vor allem der russischen Musik mag für die Berliner Orchesterszene Gewinn bringen. Auf diesem Feld könnte er noch mehr differenzieren. Aber wie hält Sokhiev es mit Beethoven, Brahms oder Mahler?

Eins-B-Besetzung der Philharmoniker: Indes eignet sich Berios „Sequenza“–Serie, ihre Stars zu präsentieren. Nach Emmanuel Pahud nun Amihai Grosz, Erster Solobratscher, der ein Teufelsbratscher ist, wie aus der leidenschaftlichen Wut seines Spiels in Nr. VI mit Bewunderung zu hören ist. Dass jemand technisch besser Klavier spielen könnte als Boris Berezovsky, ist kaum vorstellbar. Das trillert und exzelliert mit fließender Selbstverständlichkeit, ohne jede Anstrengung. So färbt sich der Charakter des Es-Dur-Konzerts von Liszt um, da der strapazierte heroische Grundzug reinem spielerischen Glanz weicht. Sybill Mahlke

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