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Kultur: Unbekümmert

Es ist sonderbar um die Moderne bestellt: Macht einer eine Ausstellung mit Klimt, Schiele, Kokoschka, können die Museen den Besucheransturm kaum bewältigen.Stehen deren musikalische Pendants, wie jetzt beim schönen Chorkonzert der Festwochen, auf dem Programm, finden kaum 150 Hörer in den Kammermusiksaal.

Es ist sonderbar um die Moderne bestellt: Macht einer eine Ausstellung mit Klimt, Schiele, Kokoschka, können die Museen den Besucheransturm kaum bewältigen.Stehen deren musikalische Pendants, wie jetzt beim schönen Chorkonzert der Festwochen, auf dem Programm, finden kaum 150 Hörer in den Kammermusiksaal.Ob all die anderen gewußt haben, daß die 32 jungen, zum Teil noch in der Ausbildung stehenden Damen und Herren des Wiener Kammerchors Concentus Vocalis unter Herbert Böcks Leitung ihre Sache gut und gewissenhaft, aber keineswegs brillant machen?

In Schönbergs Volksliedbearbeitungen von 1948 etwa, dem Versuch einer gemäßigt modernen Neudefinition von Volkstümlichkeit in der Musik, hätte man sich die Stimmgruppen gleichwertiger gewünscht, um einen wirklich räumlichen Eindruck von der kunstvoll-einfachen Vierdimensionalität der den späten Brahms weiterdenkenden Sätze zu erhalten.

Im expressionistischen Meisterwerk "Friede auf Erden" (1907-1911), das die chromatische Harmonik bis hart an die Auflösung tonaler Begrenzungen führt und vom Sänger das absolute Gehör fordert, hatte das Ensemble denn auch zu sehr mit der technischen Bewältigung der Aufgabe zu tun, um eine gelöste und souveräne Interpretation abzuliefern.

Eine gewisse Unbekümmertheit um letzte artikulatorische Feinheiten und Präzision nahm den "Sechs geistlichen Gesängen" des 21jährigen Hugo Wolf und Anton Weberns Opus 2, der Stefan George-Vertonung "Entfliehet auf leichten Kähnen" einen Teil ihrer jugendlich gegen die konventionelle Tonsprache gerichteten Spannung.Voll zu überzeugen vermochte der Concentus Vocalis dagegen im komischen Fach.Die "Vier Chöre" opus 47, in denen sich der junge Krenek mit Goethe ironisch Gedanken über Kunst, Künstler, Zeitungsschreiber und Publikum macht, sprühten vor frechen Pointen und Situationskomik.

Ernst Tochs "Fuge aus der Geographie", bei der der gesungene Ton durch rhythmisch deklamierte Städte- und Länder-Namen ersetzt wird, boten die Wiener nicht in der deutschen Urfassung von 1930, sondern in der im amerikanischen Exil anglisierten Version dar: rasant, bombensicher, mit parodistischem Tonfall.Allerdings stimmte auch hier, was Kollege Albrecht Dümling zu bedenken gab: daß man sich dann konsequenterweise auch einer amerikanischen Aussprache hätte befleißigen sollen.

BORIS KEHRMANN

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