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Kultur: Uncle Sams Blut

Rache für den Irak – der türkische Actionfilm „Tal der Wölfe“

Wer die surreale Eskalation des Konflikts über die Mohammedkarikaturen besser verstehen möchte, sollte diesen Film sehen: „Tal der Wölfe – Irak“. Die mit zehn Millionen Dollar teuerste türkische Filmproduktion aller Zeiten lockte dort allein in den ersten drei Tagen eine Million Zuschauer in die Kinos. Seit dem Wochenende ist der Streifen auch in deutschen Kinos zu sehen. Er zeigt den hohen Stellenwert der Ehre in der muslimischen Welt, macht deutlich, welch verheerende Wirkung der Irakkrieg auf die Wahrnehmung des Westens hatte – und schürt in seiner Einseitigkeit den Kampf der Kulturen.

Der Film beginnt mit einer wahren Begebenheit. 4. Juli 2003, ein türkischer Militärposten in der nordirakischen Stadt Süleymaniye. Der Auftrag: Der Militärführung in Ankara soll über die Entwicklung der Situation berichtet werden. Es besteht die Befürchtung, dass die instabile Lage in den Kurdengebieten sich über die Grenze bis in die Südtürkei ausdehnt. Plötzlich rücken amerikanische Soldaten an, verhaften die Türken, stülpen ihnen Säcke über das Gesicht und führen sie ab.

Bilder, die damals durch die türkischen Medien gingen: Die stolzen Soldaten, vom Nato-Partner beleidigt, gedemütigt und aus dem Irak geschmissen. Der einhellige Tenor: So arrogant können die Amerikaner nicht auf unserer nationalen Ehre herumtrampeln. Im Film steht der Vorfall prototypisch für das Vorgehen der USA in der Region. Der amerikanische Oberbefehlshaber heißt Sam, damit klar ist, dass er für ganz Amerika steht. Er höhnt: „Wir trampeln schon lange auf eurer Ehre herum.“ Der türkische Offizier kann die Schmach nicht ertragen und bringt sich um. Die Episode über den Rauswurf der türkischen Soldaten zeigt, welch immens hohen Stellenwert die Ehre bei Männern in der muslimischen Welt hat. Und wie ehrverletzend Muslime das Auftreten des Westens wahrnehmen.

Schockierend, wie der Film diesen Groll auf den Westen instrumentalisiert. In einer verzerrenden Darstellung des Irakkriegs werden alle Klischees des Kampfs der Kulturen bedient. Abu Ghraib, das Militärgefängnis der USA. Tatsächlich passierte Folterszenen werden nachgespielt: Soldaten im Blutrausch werfen nackte Männer auf einen Haufen und schlagen mit Knüppeln auf sie ein. Dann vermischt sich das Dokumentarische mit der Fiktion: Ein jüdischer Arzt operiert im Stile des Nazi-Arztes Dr. Mengele den geschundenen Körpern die Nieren heraus. Zu sehen sind Transportbehälter mit der Aufschrift: Tel Aviv, Israel, London, Großbritannien.

Der amerikanische Oberbefehlshaber Sam ist ein Schlächter, der wahllos Leute erschießt und auf einer Hochzeit unbescholtener Bürger ein Blutbad anrichtet. Und er ist ein christlicher Eiferer. In einer stillen Stunde kniet er vor einer Jesusfigur am Kreuz und verspricht, dass er nicht ruhen werde, bis auf diesem Flecken Erde das Reich Christi errichtet sei. Schnitt. Szenenwechsel: Turkmenische Iraker müssen ihr Dorf verlassen. Krüppel werden auf Schultern getragen, Tränen fließen, begleitet von trauriger Musik und Versen über den Islam. Die Botschaft des Films: der Irakkrieg als amerikanischer Kreuzzug gegen den Islam.

Gefährlich wird der Film, wenn er die verzerrte Wahrnehmung des Irakkriegs und die verletzte Ehre der türkischen Soldaten vermischt zu einem Aufruf zum Kampf. Der türkische Held des Films, Geheimagent Polat Alemdar, reist in den Irak, um die Schande der türkischen Soldaten zu rächen und Sam, der die Aktion gegen den türkischen Militärposten leitete, umzubringen. Nach dem Motto: Einen Türken beleidigt man nicht ungestraft.

In der Türkei hat der Film ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Fans und Gegner schreien sich in Talkshows an, die Zeitungen berichten seit Wochen seitenweise. Die Verteidiger des Films sagen: Die Amerikaner haben auch viele einseitige Filme gemacht über den Vietnamkrieg oder über den russischen Feind im Kalten Krieg. Regisseur Akar meint: „Warum darf es denn keinen antiamerikanischen Film geben?“

Es lässt sich mit einer Lehre aus dem Karikaturenstreit antworten: Nicht alles, was erlaubt ist, ist in der derzeit aufgeheizten Stimmung zwischen Orient und Okzident auch klug. So sehen das auch Kritiker in der Türkei. Ein TV-Moderator kommentiert das Filmplakat mit dem Slogan „Nur wer seinen Tod nicht fürchtet, kann ein Held sein“: „Bei solchen Sprüchen braucht man sich nicht zu wundern, wenn ein Jugendlicher wie jüngst in der Schwarzmeer-Stadt Trabzon einen Pfarrer umbringt“. Die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ prophezeit: „Die Partei, die sich die Botschaft des Films zu eigen macht, wird die nächsten Parlamentswahlen klar gewinnen.“

Panikmache ist nicht angebracht. Schließlich haben in der Türkei keine Botschaften gebrannt und der türkische Ministerpräsident Erdogan hat zusammen mit seinem spanischen Amtskollegen zur Mäßigung und zum Dialog der Kulturen aufgerufen. Die türkischen Verbände in Deutschland reagierten besonnen. Dennoch werden nach Schätzungen der Produzenten in den nächsten Wochen fünf Millionen Türken den Film sehen, davon eine halbe Million in Deutschland. Nicht alle werden den Film bloß als Fiktion betrachten, sondern als Beschreibung eines realen Kampfes: wir gegen die.

Diesen Eindruck vermitteln einige Jugendliche im proppenvollen Kino im Berliner Stadtteil Wedding. Schlussszene. Der türkische Held rammt Sam den Dolch ins Herz. Die Jugendlichen stehen auf und skandieren: „Allah ist groß.“

Der Film läuft mit deutschen Untertiteln in Berlin im Alhambra (Wedding), Karli-Multiplex (Neukölln) und im UCI Kinowelt Zoo Palast.

Alexander Bürgin

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