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Kultur: Und dabei liebe ich euch beide

Das Atze Musiktheater im Wedding feiert „Spaghettihochzeit“ – und hofft, dass der Senat künftig die Kosten für das Haus übernimmt.

Atze wird ein Scheidungskind. Das ist durchaus eine gute Nachricht. Denn der Bezirk Mitte will das Sorgerecht für sein Weddinger Kinder- und Jugendtheater nur zu gerne ans Land abgeben. Im Frühjahr musste Kultur-Stadträtin Sabine Weißler Atze schweren Herzens die fristgerechte Kündigung zusenden. Eine Verlängerung des 2004 geschlossenen Mietvertrags in Höhe von einem symbolischen Euro pro Jahr wäre heute nicht mehr zulässig, so die Begründung. Sutter, der Atze vor 27 Jahren gegründet hat, begann einmal mehr den Kampf um die nackte Existenz.

Im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses erklärte Klaus Wowereit im Mai, zunächst müsse sich der Bezirk bewegen. Das ist geschehen, bis Ende 2014 wurde der Vertrag verlängert. Nun ist das Parlament am Zuge – indem es den Vorschlag der Regierungskoalition billigt, die im Etatentwurf für 2014/15 eine Übernahme der Immobilie in Landeseigentum vorsieht.

Kann also Atze, mit jährlich 80 000 Zuschauern einer der großen Player in der regionalen Kindertheaterlandschaft, beruhigt in die Zukunft schauen? Nicht wirklich – denn da ist noch die heikle Taschengeld-Frage. Gerade einmal 690 000 Euro erhält das Theater pro Saison vom Senat für den Spielbetrieb. Ein Klacks, im vergleich zur staatlich voll alimentierten Konkurrenz. Das Theater an der Parkaue bekommt insgesamt 5,5 Millionen Euro Subventionen, das Grips 2,7 Millionen Euro. Weil aber vom Strom bis zum Stoff für die Kostüme alles teurer wird, reicht es selbst bei einem auf prekäres Kunstmachen spezialisierten Team wie Atze vorne und hinten nicht mehr. Sollte es Sutter nicht gelingen, die Mitglieder des mächtigen, für die Finanzen zuständigen Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses im November für eine Aufstockung des Zuschusses zu gewinnen, müsste er im kommenden Jahr eine der beiden Neuinszenierungen im Großen Saal streichen.

Mit der am Sonntag uraufgeführten „Spaghettihochzeit“ allerdings ist ihm jetzt eine Produktion gelungen, die sich zum neuen Dauerbrenner des Hauses entwickeln könnte. Sutter hat nicht nur Regie geführt, sondern auch das (ab neun Jahren empfohlene) Stück geschrieben. Es geht um das Gefühlschaos, das Kinder durchleben, deren Eltern sich trennen. Mit Hilfe von Tim, dessen Vater und Mutter bereits geschieden sind, will Anna ihre ewig streitenden Erziehungsberechtigten wieder zusammenbringen.

Die Komponistin Sinem Altan unterbricht die Story nicht musicalmäßig für einzelne Songs, sondern integriert die Musik organisch in die Handlung. Rap, Melodram und A-Cappella-Chor, hier ein paar Akkorde vom Klavier, dort Perkussionpassagen oder atmosphärische Sounds von Cello und E-Gitarre – alles wird von der tollen Schauspielertruppe handgemacht.

Sutter weiß genau, was er den Kids zumuten kann. Er reizt den Konflikt so weit aus, wie gerade noch zu ertragen ist – und lässt dann die Stimmung kippen, ins Positive, wenn Anna ihre Eltern dazu bringt, von ihrem Kennenlernen zu erzählen, vom Freudentaumel des Verliebtseins. Ob sich der traditionelle Familienverbund wird retten lassen, bleibt offen. Ein hoffnungsvolles Ende aber hat diese „Spaghettihochzeit“ allemal. Frederik Hanssen

wieder am heutigen Dienstag, 10. – 12. November sowie im Dezember und Januar

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