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Kultur: Und der Zukunft zugewandt

Aus dem neutralen Österreich zog der Dirigent Otmar Suitner 1960 in die sozialistische DDR, um die Dresdner Staatskapelle zu leiten. Obwohl er stets betonte, dass er vollkommen unpolitisch und nur künstlerischen Zielen verpflichtet sei, wurde er sofort zum Streitobjekt im Kalten Krieg.

Aus dem neutralen Österreich zog der Dirigent Otmar Suitner 1960 in die sozialistische DDR, um die Dresdner Staatskapelle zu leiten. Obwohl er stets betonte, dass er vollkommen unpolitisch und nur künstlerischen Zielen verpflichtet sei, wurde er sofort zum Streitobjekt im Kalten Krieg. Karrierismus wurde ihm ebenso vorgeworfen wie Karl Böhm, der die Dresdner Staatskapelle in der Nazizeit leitete. Es zeugt jedoch von einiger Heuchelei, Suitner anzukreiden, ein derart verführerisches Angebot angenommen zu haben. Schließlich gehört das sächsische Orchester zur musikalischen Elite gerade jener deutsch-romantischen Tradition, der sich Suitner besonders verpflichtet fühlte. Die Arbeitsbedingungen in Dresden waren jedoch so katastrophal, dass Suitner sich nach nur vier Jahren abwerben ließ an die Berliner Staatsoper. An diesem kulturellen Aushängeschild der DDR fand er seine Lebensaufgabe. 26 Jahre lang war er Generalmusikdirektor der Lindenoper. Suitner zog nach Niederschönhausen, in die Nähe seiner Kollegen Kurt Sanderling, Heinz Fricke und Rolf Reuter - schon schallte es aus dem Westen, er gebe sich in Pankow dem dekadenten Leben der DDR-Nomenklatur hin.

Suitner versuchte, die Berliner Staatskapelle wieder stärker als Konzertorchester zu profilieren. Suitner war, ebenso wie der von ihm verehrte Hans Knappertsbusch, kein begeisterter Probenmusiker: Das Entscheidende finde am Abend in der Aufführung statt, so das Credo dieser Inspirationsmusiker. Oder auch nicht, musste der Opernbesucher gerade in den späten Jahren seiner Berliner Amtszeit gelegentlich hinzufügen. Jene Mitglieder der Staatskapelle, die noch unter ihm gespielt haben, räumen denn auch ein, dass nicht jede Aufführung dem Publikum den Atem raubte. Jedoch, so betonen unisono der Klarinettist Matthias Glander, heute Orchestervorstand, und der Dirigent Sebastian Weigle, damals noch Hornist im Orchester, wenn sich Suitner während eines solide dirigierten Abends ein oder zweimal aus seinem Sitz erhob, dann kam es zu magischen Momenten größter Intensität.

Wichtiger noch für die künstlerische Ausstrahlung der Berliner Staatsoper war Suitners Einsatz für eine zeitgemäße Opernästhetik. Er unterstützte die damals heiß umfehdete Regisseurin Ruth Berghaus nach Kräften. Legendär ist der Premierenskandal um ihren "Freischütz", in dem schon recht vertrocknete Jungfrauen gehässig den Jungfernkranz wanden. Oder ihre Sicht auf Wagners "Rheingold", der dann die anderen "Ring"-Teile nicht mehr folgten. Auch mit den Uraufführungen von Paul Dessaus Opern "Puntila", "Einstein" und "Leonce und Lena" wollte Suitner ein künstlerisch avanciertes und integres Musiktheater neuer Prägung vorstellen. Dabei versuchte er, tagespolitische Querelen von seinen Musikern fern zu halten. Ob das am führenden Operninstitut der DDR überhaupt in dem Maße möglich war, wie die Beteiligten heute im Rückblick behaupten, mag dahingestellt bleiben. Unbestritten sind die künstlerischen Erfolge der Ära Suitner, die zum Teil auch aufgenommen wurden und inzwischen auf CD vorliegen. Heute feiert Otmar Suitner in Wien seinen 80. Geburtstag.

Im Henschel-Verlag erscheint die Biographie \"Meine

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