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Kultur: Ungebändigt

Gonzales singt in der Berliner Volksbühne

Großer Andrang in der Volksbühne: Gonzales gibt sein erstes Konzert in seiner ehemaligen Wahlheimat Berlin seit längerem. Nebenan im Roten Salon trat der Kanadier vor zehn Jahren erstmals auf. Inzwischen ist er nach Paris weitergezogen und hat eine schräge Karriere hingelegt: Obwohl ein Multitalent mit unglaublichen Performerqualitäten, wird er eher als Produzent der durch Rundfunk und Fernsehen bekannteren Feist wahrgenommen – ein Umstand, der am Künstlerego zu nagen scheint. Zeit also, die Verhältnisse zurechtzurücken.

Anders als bei früheren, gern in chaotischen Egoshows mündenden Auftritten hat Gonzales jetzt eine vierköpfige Band dabei. Was nicht heißt, dass der Wahnsinn gebändigt wäre. Beim Opener „Unrequited Love“ vereinigen sich Gonzos eruptives Pianospiel mit mehrstimmigem Satzgesang zur brodelnden Flower-Power-Hommage. Die mitreißende Funk-Hip-Hop-Collage „So called Party over there“ bekommt durch die furiose Rap-Einlage des sich vom bebrillten Nerd in einen Ersatz-Eminem verwandelnden Keyboarders unwiderstehlichen Drive. Auch die neuen, sich hemmungslos in Softpop- und Disco-Sünden der Siebziger suhlenden Stücke gewinnen durch Gonzales’ Bühnenpräsenz und die Spielfreude ungemein. Auf Comedy-Einlagen muss man nicht verzichten: Als seine Begleiter das wunderbare „Shameless Eyes“ wie eine miese Hochzeitskapelle absichtlich versemmeln, brüllt sie Gonzo in einem Kinski-artigen Tobsuchtsanfall von der Bühne, nur um dann mit zwei zärtlich-virtuosen Piano-Improvisationen Absolution zu erbitten.

Bei der Zugabe folgt ein Griff in die Trickkiste: Die Coverversion von „Easy Lover“, das Menschen mit distinguiertem Musikgeschmack höchstens heimlich gut finden, wird zum alle vereinenden Partykracher. Gonzales gibt den heiseren Phil-Collins-Wiedergänger, während der famose Matthew Flowers das Falsett von Philip Bailey imitiert. Danach stehende Ovationen für einen grandiosen Entertainer. Jörg Wunder

Jörg W, er

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