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Kultur: Unmoralische Angebote

Berlins Antiquitätenmesse Ars Nobilis feiert die Liebe in der Malerei

Neckisch hebt Amor den Zeigefinger und lockt uns ins Bild. Die junge Dame im hellen Kleid, die vor der Skulptur des Liebesgottes sitzt, ist offenbar noch unverheiratet. Auf den Knien eine Mappe mit Kupferstichen oder Zeichnungen, wendet sie sich vom geöffneten Fenster direkt zum Betrachter. Schön ist sie, kultiviert und wohlhabend – kurzum: eine gute Partie. Der Dresdner Maler Carl Friedrich Demiani, im Nebenberuf Inspektor der weltberühmten Dresdner Gemäldegalerie, porträtierte die Unbekannte 1809. Die exzellente kleine Gouache bietet das Stuttgarter Kunsthaus Bühler auf der diesjährigen Ars Nobilis – passend zum Ausstellungsthema „Kunst voller Liebe – Liebe voller Kunst“ – für gerechtfertigte 6200 Euro an. Begehrenswert!

Entdeckungen wie diese sind typisch für die Ars Nobilis, die mit ihrer elften Ausgabe erneut beweist, dass museale Kunst bezahlbar sein kann. Natürlich gibt es auch Hochpreisiges wie das Porträt des preußischen Generalfeldmarschalls Christoph Wilhelm von Kalckstein, das Georg Lisiewsky, der Berliner Hofmaler König Friedrich Wilhelms I., in den 1730er Jahren malte. 185 000 Euro erhofft sich die Bremer Galerie Neuse für das in Lebensgröße gemalte Kniestück. Kalckstein war übrigens nicht nur Erzieher von Kronprinz Friedrich (dem späteren König Friedrich II.), sondern Taufpate von Lisiewskys Sohn Christoph Friedrich Reinhold, der in die künstlerischen Fußstapfen des Vaters trat und gerade in Dessau mit einer fulminanten Ausstellung gefeiert worden ist.

Mit Blick auf den schwierigen Markt für alte Kunst und Antiquitäten in Berlin haben die meisten der 41 Aussteller jedoch auch Günstigeres im Gepäck, ohne ihre Ansprüche zu verraten. Exemplarisch dafür stehen die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen illusionistischen Korkbilder von Burgen und Schlössern – hinreißende Feinstschnitzereien, die Messemitbegründer Ernst von Loesch ab 700 Euro anbietet. Wer schnell ist, kann sich hier für wenige Tausender einen kompletten Sammlungsgrundstock erwerben.

Dass die Ars Nobilis zu den schönsten Antiquitätenmessen hierzulande gehört, verdankt sie neben von Loesch den Berliner Händlern Udo Arndt und Jürgen Czubaszek, die immer wieder erstklassige Aussteller nach Berlin locken. Thomas Schmitz-Avila (Bad Breisig), einer der führenden Möbelspezialisten Deutschlands, erzählt zwar mit glänzenden Augen von seinen Verkäufen auf der jüngsten Kunst-Messe München, hat aber auch in Berlin sein Komplettangebot aufgefahren. Neben einem sächsischen Aufsatzsekretär um 1730 (190 000 Euro) stehen ein Rokokotisch der auch in Sanssouci tätigen Brüder Johann Michael und Johann Christian Hoppenhaupt (88 000 Euro) und ein origineller, mit 22 000 Euro freundlich kalkulierter südwestdeutscher Louis-Seize- Schrank in Form eines Aufsatzofens zum Verkauf. Schmitz-Avilas Standnachbar Seidel und Sohn (Berlin und Potsdam) offeriert sechs Sitzmöbel aus einem friderizianischen Musikzimmer oder einer Theaterloge, zu erkennen an den flach geneigten Rückenlehnen (300 000 Euro). Für 25 000 Euro ist ein monogrammiertes Pokalglas aus der Potsdamer Glashütte zu haben, aus dem Kronprinz Friedrich Wilhelm persönlich trank.

In die Qualitätslücke, die die diesjährige Absage von Altmeister Albrecht Neuhaus riss, stoßen Neuzugänge wie der Bamberger Daniel Becht oder der Dresdner Frank Knothe (Augustus Rex Kunsthandel). Becht verweist auf einen Rokoko-Aufsatzsekretär aus dem Umfeld Abraham Roentgens (145 000 Euro), Knothe auf zwei vergoldete Bronzeleuchter, die Johann Georg Oegg um 1760 für die Würzburger Residenz schuf (240 000 Euro). Edelschmiedekunst vom Feinsten findet sich auch bei der Münchner Schmuckexpertin Almut Wager und beim Berliner Jugendstil-Aficionado Wolfgang Gützlaf. Gützlafs silberne Kaffeekanne von Cardeilhac kostet 9800 Euro. Gleich nebenan bei Volker Westphal wäre Ernesto de Fioris mondäne Frauenbüste aus der Sammlung Otto Krebs rückzuerwerben, die die Berliner Nationalgalerie vor zwei Jahren an die Erben restituierte und die der Berliner Händler im Juni bei Christie’s in London ersteigerte (14 000 Euro). Unter 200 000 Euro ruft Westphal für Lovis Corinths Erotikon „Das Urteil des Paris“ von 1920 auf.

Dem Messethema Liebe lässt sich vielfältig nachspüren – vom moralischen Überbau bis zu „unmoralischen“ Angeboten, wie sie in einem klassizistischen Aufsatzofen (Alterna, Berlin) oder einer Porzellangruppe des Meißner Modelleurs Johann Joachim Kaendler (Steinbeck, Aachen) Thema werden. Den Ofen, von Udo Arndt für das Veltener Keramikmuseum reserviert, ziert ein Relief, das den Verkauf von Liebesgöttern zeigt – zeittypische Anspielung auf die Prostitution.

Die Kunstkammer Georg Laue (München) bietet mit einer vor 1632 entstandenen und Leonhard Kern zugeschriebenen Buchsbaumstatuette zweier sich liebkosender Knaben, ein profundes Stück Kunst- und Kulturgeschichte (280 000 Euro). Ein ganz anderer Liebesbegriff steht hinter dem Mitte des 19. Jahrhunderts in Täbris entstandenen Gebetsteppich, der sich seit den 1930er Jahren in der Sammlung des Mannheimer Traditionshauses Franz Bausback befindet und nun 78 000 Euro einspielen soll. Das edle Stück ist ungewöhnlich, weil hier eine Paradiesdarstellung mit zierlich geknüpften Greifen lockt. So viel zweckgebundene Eleganz steht im Kontrast zu den orientalisierenden Luxusgläsern, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in den europäischen Edelmanufakturen Brocard und Lobmeyr für Orientliebhaber entstanden. Marktfrisch ziehen die in dieser Qualität und Größe nahezu singulären Stücke nun am Stand von Neuse begehrliche Blicke auf sich. Liebe hat viele Facetten.

Automobil-Forum, Unter den Linden 21, bis 14.11. tägl. 10–20, Sa 10–18 Uhr.

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