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Kultur: Unter dem Teppich

Michel Durand (Jean-Hugues Anglade) ist Psychoanalytiker. Und wie das so geht im Film, muss er beim endlosen Reden seiner Patienten ständig mit dem Schlaf kämpfen; da bietet nur Olga Kubler (Hélène de Fougerolles) ein bisschen Abwechslung.

Von Susanna Nieder

Michel Durand (Jean-Hugues Anglade) ist Psychoanalytiker. Und wie das so geht im Film, muss er beim endlosen Reden seiner Patienten ständig mit dem Schlaf kämpfen; da bietet nur Olga Kubler (Hélène de Fougerolles) ein bisschen Abwechslung. Die räkelt sich, strapsbespannt und mit Spitzen garniert, auf seiner Couch, dass Durand noch andere Probleme bekommt als Langeweile.

Olgas Geschichten sind sado. Sie sind maso. Sie handeln von Sex, Geld und ihrem brutalen Mann Max (Yves Renier) und machen dem wackeren Therapeuten Sorgen, denn die Verletzungen am Körper der jungen Frau beweisen, dass sie nicht nur von ihrem Unterbewusstsein spricht. Und seinerseits merkt er, dass sie mit ihren Versuchen, ihn aus der therapeutischen Reserve zu locken, nicht ganz erfolglos bleibt. Während einer Sitzung nickt er ein und träumt eine ihrer harten Nummern weiter. Als er aufwacht, hat er ihre Leiche auf der Couch. War jemand im Zimmer? Selbst kann sie sich doch kaum erwürgt haben. Sollte am Ende er ...?

Mit "Mortal Transfer" ("Tödliche Übertragung") meldet sich Jean-Jacques Beineix zurück, der Regisseur, der mit "Diva" (1980) und "Betty Blue" (1984) vor etwas längerer Zeit schon zum Star wurde und seit "IP2 - Insel der Dickhäuter" (1992) keinen Spielfilm mehr gemacht hat. "Mortal Transfer" ist so knallbunt und plakativ (Kamera: Benoît Delhomme), wie man Beineix in Erinnerung hat. Er beginnt wahnsinnig komisch, mit Lust an grotesken Details wie zum Beispiel gewissen Extremitäten der Toten, die unter der Couch herausragen, auf der schon der nächste Patient liegt. Nach überstandenem Arbeitstag wickelt Durand die Leiche schweißgebadet in seinen Teppich, schwankt mit ihr in den Aufzug, lässt sie krachend fallen, schlittert mit ihr übers Glatteis - das wird alles so lange ausgekostet, bis man nicht mehr weiß, ob man noch lachen darf oder schon weinen sollte.

Leider verliert Beineix, der auch das Drehbuch geschrieben hat, vor lauter guten Einfällen zeitweise die Geschichte aus den Augen. Max Kubler, Durands Geliebte Hélène, sein rätselhafter Supervisor, ein Nekrophiler auf dem Friedhof, der Weihnachtsmann - bis zur Aufdeckung der perfiden Verschwörung ist man selber schon ganz gaga. Was der Meister damit sagen will, wird einem in der letzten halben Stunde ziemlich schnurz. Aber immerhin: Der Anfang ist und bleibt ein Kracher.

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