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Kultur: Urlaubsland ist abgebrannt

Die Stadt ist die Hauptdarstellerin in "Welcome to Sarajevo".Aber sie hat mit dem idyllischen, von verschneiten Bergen umgebenen, historischen Ort voller flanierender Sporttouristen aus aller Welt, wie man ihn aus der Fernsehberichterstattung von den Olympischen Winterspielen 1984 kennt, nichts mehr zu tun.

Die Stadt ist die Hauptdarstellerin in "Welcome to Sarajevo".Aber sie hat mit dem idyllischen, von verschneiten Bergen umgebenen, historischen Ort voller flanierender Sporttouristen aus aller Welt, wie man ihn aus der Fernsehberichterstattung von den Olympischen Winterspielen 1984 kennt, nichts mehr zu tun.Stattdessen sieht man ganze Straßenzüge mit zerstörten Häusern, in die man wie in Puppenstuben hineinblicken kann, Barrikaden aus Sandsäcken, Trümmergrundstücke und Menschen, die sich hastig und vorsichtig von Deckung zu Deckung bewegen, freie Flächen im schnellen Lauf überqueren, um am Ende womöglich trotzdem als Opfer von Heckenschützen zu sterben.Das ist Sarajevo im Jahr 1992, dem ersten einer knapp vier Jahre andauernden Belagerung durch bosnische Serben, die gegen die Unabhängigkeit Bosniens kämpften.

Dort haben sich in einem großen Hotel Kriegsberichterstatter aus aller Welt verschanzt, unter ihnen der Brite Henderson (Stephen Dillane) und seine Produzentin Jane Carson (Kerry Fox).Sie stehen unter dem Zwang, täglich aktuelle, unverbrauchte Bilder nach Hause senden zu müssen aus einem Krieg, den sie nicht verstehen und deswegen auch nicht verständlich machen können.Gleichwohl sind sie auch als dessen Zaungäste Teil von ihm, mehr oder weniger abgebrüht angesichts der allgegenwärtigen Lebensgefahr, der sie, ebenso wie die Zivilbevölkerung Sarajevos, kaum entkommen können.Gerade für letztere gibt es nur ein Mittel, gegen den Schrecken anzukämpfen: business as usual, sofern die Umstände dies erlauben.Als Henderson und Carson den einheimischen Risto als Fahrer engagieren, nimmt der sie mit zu seinen Freunden, und sie bekommen Einblick in eine Art Parallelalltag, dessen bescheidene Freuden trotz oder gerade wegen des Ausnahmezustandes umso intensiver erlebt werden.

Die auf realen Erlebnissen des britischen Auslandskorrespondenten Michael Nicholson basierende Geschichte des Films erzählt, wie der Journalist Henderson bei der Berichterstattung über ein Waisenhaus das Mädchen Emira trifft und ihr verspricht, sie nach England mitzunehmen.Trotz widrigster Umstände löst er sein Versprechen ein, als er zurückkehrt.Eines Tages erhält er jedoch Nachricht von Emiras Mutter, die ihre Tochter zurückhaben will.Henderson fährt noch einmal nach Sarajevo, um die Frau zu suchen und kann sie schließlich davon überzeugen, ihr Kind zur Adoption freizugeben.

Aber es ist nicht diese Handlungsebene, die "Welcome to Sarajevo" zu einem berührenden, jedoch nicht sentimentalen, zu einem engagierten, jedoch nicht besserwisserischen Film macht.Denn "Welcome to Sarajevo" berichtet en passant von vielen verschiedenen Personen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind, und davon, wie unterschiedlich sie auf die dort herrschenden Bedingungen reagieren.So verschanzt sich die Produzentin hinter einer Maske aus professioneller Kaltschnäuzigkeit, so ertränkt der amerikanische Starreporter Flynn, verkörpert von dem diesmal gar nicht so tumb agierenden Woody Harrelson, seine Eindrücke in Whisky, so heizt ein Freund Ristos seinen Herd mit Büchern, während draußen die Nationalbibliothek brennt.Und der Cellist Zeljko erzählt, daß man in Sarajevo alles kaufen könne, auch eine Frau, die man nie bekommen konnte - vorausgesetzt, man hat ein Stück Seife übrig ...

Michael Winterbottom hat seinen Film 1996, nach dem Friedensabkommen von Dayton, gedreht und Bürgerkriegsszenen mit Einwohnern Sarajevos als Statisten an Originalschauplätzen nachgestellt.Im Film erscheinen sie mitunter als Videoaufnahmen, die vom ebenfalls verwendeten dokumentarischen Archivmaterial des bosnischen Fernsehens kaum zu unterscheiden sind.Man mag diesen Kunstgriff für fragwürdig halten, aber er erfüllt seinen Zweck: Er konfrontiert uns mit Szenen eines Krieges, der in einer der bis zu seinem Ausbruch beliebtesten Urlaubsregionen der Deutschen stattgefunden hat, und dessen Auswirkungen noch Jahrzehnte sichtbar sein werden.Inzwischen fährt man in die Dominikanische Republik.

In Berlin im Broadway, Delta, Eiszeit, Filmbühne Steinplatz, FT Friedrichshain und Babylon A (OmU)

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