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Gut abgefedert. Christoph Marti alias Ursli Pfister alias Sylva Varescu.

© Leclaire

Ursli Pfister: Zuckerpuppe aus der Transentruppe

Reminiszenz an jene legendäre "Weiße Rössl"-Inszenierung im Spiegelzelt in der Berliner "Bar jeder Vernunft": In Köln ist Ursli Pfister "Die Csárdásfürstin".

Die Reminiszenz ist unverkennbar: Mit der „Csárdásfürstin“ wird in Köln an jene legendäre „Weiße Rössl“-Inszenierung im Spiegelzelt in der Berliner „Bar jeder Vernunft“ erinnert, die 1994 in ihrer liebevollen Ernsthaftigkeit gegenüber dem unterschätzten Genre Operette verblüffte. Für Emmerich Kálmáns Operette hat die Kölner Oper das Palladium im Stadtteil Mülheim – eine ihrer Ausweichspielstätten während des Umbaus des Stammhauses – zum Varieté umgebaut. Wie im Spiegelzelt sitzt man an Tischen, rechts und links zwei kleine Showbühnen, vorne der Platz für ein Salonorchester. Mitten im Publikum auf zwei sich kreuzenden Gängen wird gespielt: Operette aus dem Geist des Varietés.

Vom Budapester „Orpheum“ nimmt ja auch die Geschichte der Chansonette Sylva Varescu ihren Ausgang. Und wie damals im „Weißen Rössl“ prägt Christoph Marti, bekannt als einer der „Geschwister Pfister“, maßgeblich die Konzeption. Diesmal inszeniert er zwar nicht selbst, sondern Bernhard Mottl – aber schon die Besetzung der Titelrolle mit ihm ist Programm. Das „Orpheum“ ist in Köln ein ungarisches Transvestiten-Varieté. „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ heißt es, doch die Schulmädchen, Putzfrauen und Zigeunerinnen der Revuen sind Männer (Choreographie: Otto Pichler). Und plötzlich wirken die Loblieder und Schmähungen auf die „Mädis“ und „Weiber“, auf das „Wesen“ der Frau, die viele Nummern der Operette bestimmen, deutlich als Projektionen.

Auch der Konflikt der Handlung, die nicht standesgemäße Liaison zwischen Fürst Edwin von Lippert–Weylersheim und einer ungarischen Chansonette ist auf diese Weise auch heute noch nachvollziehbar. Fürst Leopold Maria (die Kölner Karnevalslegende Ludwig Sebus) und seine Gattin Anilte (Andreja Schneider von den „Geschwistern Pfister“) tragen es mit Fassung, dass ihr Sohn einen Mann heiratet, der als Frau im Varieté auftritt. Jede augenzwinkernde Distanzierung, jede ideologiekritische Besserwisserei gegenüber einem musikalischen Vergnügen, das den Csárdás über den Abgrund des Ersten Weltkriegs tanzen lässt, fehlt in Bernhards Mottls geschmackvollem Arrangement. Nummer für Nummer wird geradezu behäbig liebevoll vom Blatt gespielt: die große pathetische Liebe zwischen dem Prinzen und der Chansonette. Carsten Süß als junger Fürst und Christoph Marti zeigen sie mit ihren Verletzungen und Sehnsüchten, genieren sich nicht vor Kitsch und naiver ungarischer Folklore. Das Buffopaar tritt demgegenüber etwas in den Hintergrund.

Für eine „Operette aus dem Geist des Varietés“ wurde Kálmáns großes Orchester zum Kaffeehaus-Ensemble eingeschmolzen, in der Instrumentierung des Dirigenten Gerrit Priesnitz erblühen die großen Nummern Sylva Varescus dennoch. Allerdings dampft die instrumentale Ausdünnung Káláns aufbrausende Feurigkeit ein, und die bisweilen unkoordinierte Akustik – es werden Mikroports verwendet – ist etwas ärgerlich.

„Die Mädis, die Mädis, die Mädis vom Chantant , die nehmen die Liebe nicht so tragisch“ – oder doch? Im Palladium werden, gerade wenn Oper und Kleinkunst zusammenkommen, die großen pathetischen Gefühle wieder sehr ernst genommen. Operette: nirgendwo verblödelt. Bernhard Doppler

Nächste Vorstellungen am 5., 9., 14., 20. und 27. Januar. Info: www.operkoeln.com

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