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Kultur: US-Entschuldigung: Wie die Amerikaner sich von ihrer eugenischen Vergangenheit distanzieren

Das Gute an den Nazis ist, dass sie den Nationalsozialismus diskreditiert haben. Ihre Taten haben ihre Gedanken in Verruf gebracht.

Das Gute an den Nazis ist, dass sie den Nationalsozialismus diskreditiert haben. Ihre Taten haben ihre Gedanken in Verruf gebracht. Kein Mensch kann heute noch seine eigene Rasse als "überlegene Rasse" deklarieren oder das Leben eines anderen Menschen für "unwert" erklären. Wer es trotzdem tut, stellt sich ins Aus - weltweit. Denn was die Nazis dachten, war längst nicht so einmalig wie das, was sie taten.

In Richmond, Virginia, geschah am vergangenen Freitag eine kleine Sensation. Mit 85 gegen 10 Stimmen verabschiedeten die Volksvertreter eine Resolution, in der sie bedauern, dass sich ihr Staat mehr als sieben Jahrzehnte lang an Zwangssterilisationen beteiligt hat. Das Wort "Entschuldigung" fand nach kurzer Debatte zwar keine Mehrheit, aber falls der Senat diese Resolution annimmt, wäre Virginia der erste von 30 US-Bundesstaaten, in denen Zwangssterilisationen durchgeführt wurden, der sich offiziell von dieser Praxis distanziert.

Seit 1924 wurden Menschen in Virginia zwangsweise sterilisiert. Der "Eugenical Sterilization Act" wurde am selben Tag verabschiedet wie das Gesetz, das die Hochzeit zwischen Weißen und Nicht-Weißen unter Strafe stellte. Die Zwangssterilisation galt als probates Mittel, um die weiße Rasse in eine richtige Richtung zu züchten. Damals glaubten die Eugeniker, Süchtige und Verbrecher würden ihre Krankheit vererben. Also wurden in Virginia etwa 8000 Menschen, die meisten von ihnen arm und weiß, daran gehindert, sich fortzupflanzen. Erst als sich die Nazis mit ähnlichen Methoden weltweit unbeliebt machten, schwand in den USA der Rückhalt für die Selektions-Politik. Trotzdem fanden Zwangssterilisationen in Virginia bis zum Jahre 1979 statt. Insgesamt wurden im 20. Jahrhundert in den USA etwa 60 000 Frauen und Männer zwangsweise sterilisiert. Den Rekord hält Kalifornien mit 20 000 Sterilisationen, Virginia liegt auf Platz zwei.

Die Resolution appelliert an die Bevölkerung, in Zukunft jeder Versuchung durch pseudo-wissenschaftliche Bewegungen zu widerstehen. Die Abgeordneten beziehen sich auch auf "eine Zeit, in der Wissenschaftler die menschlichen Gene dekodieren". Der Gouverneur von Virginia hat zu der Resolution noch nicht Stellung genommen. Er wolle erst prüfen, hieß es, ob mögliche Entschädigungsansprüche damit verbunden seien. Der Druck auf ihn dürfte allerdings sich in Grenzen halten: Zwangssterilisierte haben weder eine Lobby noch Nachkommen, die ihr Schicksal in Ehren halten.

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