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US-Präsident Barack Obama bei seiner Ankündigung gegen Waffengewalt in den USA vorzugehen.

© AFP

US-Waffenrecht: Obama und die Macht der Gefühle

Barack Obama hat mit seiner emotionalen Rede zur Verschärfung des Waffenrechts Historisches bewegt: Die öffentliche Meinung in der Frage hat sich gedreht.

Tränen sind weich, bewirken aber manchmal mehr als harte Ansagen. Barack Obama hat öffentlich geweint, als er am Dienstag seine Dekrete zur Verschärfung des Waffenrechts vorstellte. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht, als er über die zwanzig Erstklässler sprach, die ein kranker junger Mann im Dezember 2012 in der Sandy-Hook- Schule in Connecticut erschossen hatte. „Jedes Mal, wenn ich an sie denke, macht es mich wahnsinnig“, sagte er vor laufenden Kameras zu den Angehörigen, die er zu seiner Rede ins Weiße Haus eingeladen hatte.

Es waren Tränen der Trauer um die jungen Leben, die sich nicht entfalten konnten. Es waren auch Tränen der Frustration darüber, dass die republikanische Mehrheit im Kongress trotz der vielen Schießereien der jüngsten Jahre – in Schulen, in Kinos, in Einkaufs-Malls – schärfere Gesetze verweigert.

Manche konservative Kommentatoren ziehen Obamas Gefühlsausbruch ins Peinliche: der Commander in Chief der größten Militärmacht der Erde als Weichling. Sie tun das wohl auch, weil sie die politische Macht dieser Tränen fürchten. Die Mehrheit der Amerikaner war ergriffen, hält seine Erschütterung nicht für gespielt, sondern zutiefst menschlich.

Herzen öffnen sich für Argumente, die zuvor an ideologischen Panzern abprallten – so wie im Juli, als Obama bei der Trauerfeier in einer Kirche, in der ein Amokläufer neun Afroamerikaner erschossen hatte, „Amazing Grace“ anstimmte. Das rührte die Nation so sehr, dass Historisches folgte: Die Konföderierten-Flagge, die die Südstaaten in den 150 Jahren seit dem Bürgerkrieg um die Abschaffung der Sklaverei als stolzes Symbol ihrer Lebensweise verteidigt hatten, wurde zu einem Symbol des Rassenhasses erklärt und von den öffentlichen Gebäuden eingezogen.

Gewiss kann man Obamas Dekrete zur Korrektur des Waffenrechts ganz kühl und analytisch für wirkungslos erklären. Sie sind mehr Appell als rechtlich zwingende Instrumente. Die größten Regelungslücken – Waffenkauf im Internet und bei mobilen Waffenshows ohne „Background Check“, ob der Käufer vorbestraft oder psychisch krank ist – schließen diese Vorschriften nicht effektiv.

Amerika bewegt sich nur langsam

Und doch hat Obama Historisches bewirkt: Er hat die öffentliche Meinung gedreht, was Vorrang haben solle – die Verteidigung des in der Verfassung verankerten Rechts auf Waffenbesitz oder die Einschränkung dieses Rechts zum Schutz Unschuldiger vor Todesschützen. In Umfragen sprechen sich inzwischen rund 80 Prozent der Bürger für schärfere „Background Checks“ aus. Das ist natürlich nicht dem einen Gefühlsausbruch vom Dienstag zu verdanken. Seit Jahren wirbt Obama nach jeder Massenschießerei für eine bessere Kontrolle. In der Nacht zu Freitag erneut bei einer von CNN live übertragenen Townhall-Debatte mit Bürgern in Virginia. Irgendwann wird sich auch der Kongress dem öffentlichen Druck beugen. Amerika bewegt sich nur langsam, aber es bewegt sich.

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