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Kultur: US-Wahlen: Al, go home

Mary Jones Wunsch hat sich erfüllt. Glücklich ist Mary Jones darüber nicht.

Mary Jones Wunsch hat sich erfüllt. Glücklich ist Mary Jones darüber nicht. "Aber es ist besser so. Und ich hoffe, damit ist die Sache erledigt." Die "Sache", das ist die Präsidentschaftswahl 2000. Der Wunsch, das war ein Sieg von Bush. Das Ungewöhnliche: Mary Jones ist gar keine Republikanerin. Sie lebt seit über 40 Jahren in Texas, sie ist religiös und eher konservativ, also vom Profil her eine eher republikanische Wählerin. Doch die Rentnerin hält Bush für "ungebildet und nicht in der Lage, ein Land wie die Vereinigten Staaten zu führen". Sie wählt traditionell demokratisch. Doch nach über zwei Wochen Warten auf ein Ergebnis, nach zwei Wochen voller Hohn und Spott, voller Parodien und Witze in den allabendlichen Fernsehsendungen ist sie müde von der Politik. Deswegen hatte Mary Jones schon vor dem Thanksgiving-Fest am vergangenen Donnerstag gehofft, dass Bush in Florida gewinnen werde. "Damit wir endlich Ruhe haben." Damit liegt sie im Trend. Laut einer Umfrage von Washington Post und NBC von der Nacht zum Montag sprechen sich 60 Prozent der Befragten dafür aus, dass Gore nun Bush als Sieger anerkennen sollte. Befragt wurden dazu telefonisch 607 Personen.

Am Sonntagabend im texanischen Austin ist es zwar nicht so voll wie am Abend jenes historischen 7. November, als erst Gore und schließlich Bush zum Sieger erklärt wurden. Als erst Trauer herrschte auf der riesigen Wahlparty des texanischen Gouverneurs George W. Bush und dann ausgelassener Jubel, der später wieder in sich zusammenbrach. Doch als die Innenministerin von Florida, Katherine Harris, am Sonntag sagt: "Und hiermit erkläre ich Governeur George W. Bush zum Sieger der 25 Wahlstimmen in Florida für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten", füllt sich der Platz vor dem Capitol in Austin, dem Sitz der texanischen Regierung, viel schneller als die Polizei gedacht hatte. Tausende stehen jubelnd vor dem hell erleuchteten Gebäude und skandieren: "Wir wollen den Präsidenten sehen, wir wollen den Präsidenten sehen."

Später wird die Polizei zu Protokoll geben, dass es ruhig geblieben ist in dieser Nacht, die womöglich nicht die letzte Jubel- oder Trauernacht gewesen sein wird. Während sich in den letzten Tagen in Florida, aber auch in Austin die verschiedenen Seiten nicht nur Wortgefechte geliefert haben, sondern auch manche rüpelhafte Rempelei, spielen sich diesmal andere Szenen ab. Ein Republikaner mit großem Texashut, Jeans und braunen Stiefeln nimmt eine schwarze Frau in den Arm: Sie hat für Gore gestimmt, aber nun ihr Plakat eingeholt. "Wir haben gewonnen, aber es war ein harter Kampf" sagt er. "Nun müssen wir zusammenhalten - für Amerika." Die Demokratin lässt es zu. Diese Szene spiegelt womöglich nicht die Mehrheitsmeinung auf beiden Seiten wider, doch viele demokratische Wähler in Texas haben diese veränderte Stimmung in den letzten Tagen in Zeitungsinterviews oder Radiosendungen zu Protokoll gegeben. Kolumnisten in texanischen Zeitungen schreiben darüber, dass sie zwar bekennende Demokraten sind, dass sie aber wünschen, dass diese Wahl nun mit dem Sieger Bush ein Ende haben wird.

Doch es ist noch kein Ende in Sicht. Der Oberste Gerichtshof der USA wird am Freitag die Argumente der Republikaner und Demokraten anhören. Vor Tagen hatten die Republikaner Klage eingereicht, weil sie die Handzählungen und Nachzählungen in Florida für ungerecht und gegen die amerikanische Verfassung gerichtet halten.

Doch der Supreme Court ist den Gore-Leuten längst egal. Gore will in Florida weitere Wahlunregelmäßigkeiten vor ein Gericht bringen. Mary Jones schüttelt darüber nur den Kopf. "Vielleicht" sagt sie, "kann man ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr aufhören." Vielleicht habe Gore diesen Punkt schon überschritten.

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