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Kultur: Utopien von damals

Halbverfallene Häuser, Neubauten aus Betonplatten, Oma und Enkelkind auf dem bröckligen Bürgersteig, Straßenzeilen zugeparkt mit Trabbis, Trümmer, Abriß, Familienbilder - all das ist zu sehen in "Greifswald ist alle", "Halle schwarz/weiß", "Karl-Marx-Stadt: Menschen dieser Stadt" und "Dresden II".Filmische Ansichten, unabhängig vom staatlichen Filmmonopol auf Super-8 hergestellt, gehörten zum inoffiziellen DDR-Zeitbild der achtziger Jahre.

Halbverfallene Häuser, Neubauten aus Betonplatten, Oma und Enkelkind auf dem bröckligen Bürgersteig, Straßenzeilen zugeparkt mit Trabbis, Trümmer, Abriß, Familienbilder - all das ist zu sehen in "Greifswald ist alle", "Halle schwarz/weiß", "Karl-Marx-Stadt: Menschen dieser Stadt" und "Dresden II".Filmische Ansichten, unabhängig vom staatlichen Filmmonopol auf Super-8 hergestellt, gehörten zum inoffiziellen DDR-Zeitbild der achtziger Jahre.Unterlegt mit arythmischen, oft nervigen Experimentalmusiken, live vorgetragen oder mittels Kassettenrecorder zum Tönen gebracht: Sie existierten, die Trash-Filme und Underground-Screenings made in DDR.

Eine beträchtliche Anzahl sehr junger Künstler und solcher, die es werden wollten, ignorierte vor allem in Leipzig, Dresden, Greifswald, Karl-Marx-Stadt und Halle die staatliche Filmzulassungsstelle, um mit Hilfe des einzigen in der DDR käuflichen Super-8 Kameramodells, der russischen "Quarz", Leben zu dokumentieren.Den Machern und Zuschauern der halbprivaten Vorführungen in Abrißhäusern, Galerien oder am Rande studentischer Kunsttreffs brachte das damals prompt Stasi-Bespitzelung und den Vorwurf der staatsfeindlichen Konspiration ein.Dabei war es Ausdruck einer sehr naiven "Uns gibt es dennoch!-Kultur": Sie vertrat - mit dem DDR-geprägten Horizont als Maßstab - das Gefühl, daß sich was ändern müßte, als Utopie.

Das filmische Ergebnis zeugt nicht nur von Spontaneität oder jenem Dilettantismus, der mit Super-8 in Verbindung gebracht wird.Heute werden diese Filme gegen die ursprüngliche Absicht wieder zu Dokumenten.Sie sind Überbleibsel einer verschwundenen Zeit; sehr traurig und direkt porträtieren sie eben jene DDR-Realität, die von den Machern kritisiert wurde.Den Charme der Konspiration aber und der individualistischen Allianz der Macher und Zuschauer innerhalb des real existierenden DDR-Sozialismus haben unabhängige DDR-Schmalfilm-Vorführungen heute nicht mehr.Man wünschte sich ein Rahmenprogramm oder ein Festival mit DDR-Trash-Filmen, damit man Zeit und Zeitgeist der subversiven Konspiration begreifend erleben kann.

ALICE AGNESKIRCHNER

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