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Der russische Dirigent Valery Gergiev

© Justin Lane dpa

Valery Gergiev und sein Jugendorchester: Viel Wallung, wenig Licht

Klingende Tragik: Das Orchester der Russisch-Deutschen Musikakademie unter Valery Gergiev im Konzerthaus, mit Frank Peter Zimmermann an der Violine.

Die Zeiten sind nicht die besten für das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland. Es scheint, als herrsche offiziell eine Art Funkstille – in der Hoffnung, dass Differenzen nicht noch deutlicher zu Tage treten. Die Künste können zum Glück nicht schweigen, auch wenn ihnen in Putins Reich Repressalien drohen.

Wer aber zusammen in einem Orchester spielt, der lernt sich kennen, der politischen Eiszeit zum Trotz. Die Arbeit der russisch-deutschen Musikakademie, die junge Musiker beider Länder zusammenführt, kann daher nicht hoch genug geschätzt werden. Auch dass mit Valery Gergiev der prominenteste Dirigent der Föderation die Leitung übernimmt, ist eine Ansage. Wer bei seinem Antritt bei den Münchner Philharmonikern noch fassungslos darüber war, dass sich der Maestro nicht recht von Putins repressiver Politik distanzieren wollte, bekommt eine neue Chance, Gergiev zu schätzen: für seine leidenschaftliche, grenzüberschreitende Arbeit mit dem Nachwuchs.

Wie zwei zittrig flatternde Vögelchen

Ohne große Worte und Gesten geht es im Konzerthaus unmittelbar um die Musik, zunächst um die der Moderne, die dem russischen Teil des Orchesters noch wenig vertraut ist. Wolfgang Rihms „Verwandlung 4“ aus dem Jahr 2008 liegt auf den Pulten, ein saftiger Brocken Musik, der alle Instrumentengruppen gründlich aufwärmt. Gergiev, der Ausdrucksmusiker, bekommt dieses schillernde Werk nicht ganz zu fassen, setzt immer wieder nach, wirft Ankerleinen quer übers Podium, lässt die Dynamik schwellen. Irrlichternd wirkt seine Dirigierweise: Wie zwei zittrig flatternde Vögelchen sind die Hände unterwegs, das eine trägt einen Zahnstocher im Schnabel. Klare Einsätze kann man so nicht geben, Wallungswerte vermitteln schon.

Beethovens Violinkonzert ist so aber kaum beizukommen. Zu vage bleibt die rhythmische Kontur, zu wenig Akzente finden sich in den Wiederholungen. Solist Frank Peter Zimmermann spielt beherzt bei den Orchestertutti mit und versieht seinen Part ansonsten mit freundlich-distanziertem Silberklang, der viel ungenutzten Raum für einen versierten Klangregisseur lässt. Dass Gergiev genau das sein kann, zeigt er zu Beginn von Tschaikowskys fünfter Sinfonie: Den dunklen Seelengrund, vor dem sich diese Musik verströmt, zeichnet er mit viel Sinn für klingende Tragik, bietet den ausgezeichneten Bläsern seines Orchesters glänzende Momente. Doch wenn Bewegung, Licht und Farbe ins Spiel kommen sollten, bleibt sein Dirigat auf bestürzende Weise stur. Bis am Ende alles in Lärm erlischt und nur eine kleine Erinnerung daran überlebt, dass es auch ganz anders hätte sein können.

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