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Kultur: Verblende deine Jugend

Ein Dokumentarfilm über Youtube-Stars im HKW

Thema heute: ölige Haut. „Was tun, damit das Gesicht im Sommer nicht so glänzt?“, fragt Sami in die Kamera. Der Abiturient sitzt auf dem Fußboden seines Kinderzimmers, im Hintergrund eine Stuttgarter Hochhaussiedlung. „Ganz wichtig sind ölfreie Reinigungsgels“, erklärt er. Sami, der im Internet Herr Tutorial heißt, ist Deutschlands einflussreichster Beauty-Berater. Auf Youtube werden seine Filme millionenfach angeklickt.

„Egal was ich tue, sie lieben es“ heißt der Debütfilm von Romy Steyer, er begleitet fünf junge Internetstars durch ihren Alltag. Eine ist die Berlinerin Amy, die sich Diamond Of Tears nennt und launische Befindlichkeitsmonologe veröffentlicht. Dann sind da noch Y-Titty, drei Freunde aus dem fränkischen Hilpoltstein, sie drehen Hollywood-Parodien à la Bully Herbig in Muttis Vorgarten.

Soviel Poptrash braucht dringend einen theoretischen Rahmen, mag man sich im Haus der Kulturen der Welt gedacht haben, wo der Film am Freitag Premiere feierte. Und so hatte zunächst Medienwissenschaftler Siegfried Zielinski das Wort. Er mutet dem Publikum etwas zu: einmal Hegel, Heidegger, Wittgenstein, Foucault, Buber, Flusser, Burroughs und zurück. Fazit: „Das Internet gehört zu den Nicht-Orten, in die hinein sich das physische und psychische Sein verschwendet.“ Dieser Zustand müsse nicht zwangsläufig schlecht sein, meint der Professor, „es ist indessen an der Zeit, darüber nachzudenken, wem die Verschwendungen dienen“.

Wem sie dienen? Den Reichweiten natürlich, würden die Youtuber vermutlich antworten. Der Film zeigt die Netzkünstler im permanenten Upload- Stress. An Amys Wand hängt eine handschriftliche Liste mit allen Netzwerken, auf denen sie aktiv ist: „Ich versuche da überall jeden Tag was zu posten.“ Auch Herr Tutorial nimmt seinen selbsterfundenen Beruf ernst: Mit seinen Fans spricht er ununterbrochen auf tausendundeinem Kanal – so hysterisch fröhlich wie möglich.

Es gehört zu der Stärke des Films, dass er sehr nah an seine Protagonisten heranrückt, sie aber nie altklug belächelt. Auch nicht, wenn Sami auf einen Haufen dicker Teenie-Fans trifft, und alle sich verlegen an ihren Handykameras festhalten. Oder wenn Amy beharrlich den Berufswunsch „Schauspielerin/berühmt/Sängerin“ angibt. Denn genau darum geht es natürlich: einen Platz im Rampenlicht der Mediengesellschaft zu erobern.

„Sie sind Vereinzelte“, hatte Zielinski gesagt, „auf der Suche nach respektvollen Zuneigungen“. Am Ende des Films zieht Y-Titty nach Köln, engagiert einen Agenten, verhandelt mit Fernsehsendern. Herr Tutorial darf zur Fashionweek nach New York fliegen, als Markenbotschafter für eine Zahnpasta. Nur Amy singt noch allein in leeren Kneipen. Astrid Herbold

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